2015/2016
Netboy 11 +
von Petra Wüllenweber
Stückinfo
Ort: | Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3 |
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Zeitraum: | 22. April 2016 - 25. Juni 2016 |
Premiere: | 26. April 2016 |
Dauer: | 01:30 |
Regie: | Frank Panhans |
»Sunrain: … Kafka … Ist er das auf deinem Profilfoto?
Petra Wüllenweber. Netboy
Netboy: Ja, da war er 15 Jahre alt.
Sunrain: Wie siehst du aus?
Netboy: Spielt keine Rolle … Möchte nicht nach
meinem Äußeren beurteilt werden. Wichtig ist,
was man denkt, was man tut.«
Netboy, was für ein sensationell toller Typ! – Die allseits beliebte Marie hat ihn im Social Web kennengelernt und ist von Anfang an fasziniert von seinen schlagfertigen und gleichzeitig sensiblen Antworten. Dass er für jede Situation auch noch locker das passende Kafka-Zitat in den Chat streut, macht ihn nur noch interessanter. Netboy und Marie – das fühlt sich ganz so an, als kenne man sich schon seit Ewigkeiten persönlich.
Wenn man solche Freunde hat, dann steckt man die ständige Doppelexistenz auf Facebook und Co, Klassensprecherwahl, geschiedene Eltern etc. locker weg …
Als ihre beste Freundin Sarah ungerechtfertigt von der Chemielehrerin schikaniert wird, nimmt Marie Netboys neue Herausforderung an: Der Lehrerin muss ein Denkzettel verpasst werden. Doch das hat ungeahnte Folgen. Denn plötzlich tauchen Fotos von Marie im Netz auf, die sie auf frischer Tat zeigen, wie sie sich an besagter Lehrerin gerächt hat. Ein Shitstorm bricht los: Freunde, Klassenkameraden, Lehrer – alle können sehen, was sie getan hat. Für Marie beginnt ein ungeahnter Alptraum in dem sie Gefahr läuft, alles zu verlieren. Auf welche Freunde aus der »realen« Welt kann man sich eigentlich in so einem Moment verlassen? Gibt es noch irgendwo Halt, bevor es einem den Boden unter den Füßen endgültig wegfetzt? Wie diese Spirale nach unten aufhalten? – Und schließlich, wer ist eigentlich dieser ominöse Netboy, der sie in diese fatale Situation geschubst hat?
Auf ebenso spannende wie einfühlsame Art verfolgt die preisgekrönte Autorin Petra Wüllenweber das Thema Cybermobbing von seinen harmlosen Anfängen in der vermeintlichen Anonymität bis zu seinen sehr realen Folgen in der Wirklichkeit.
Aufführungsrechte: Theaterstückverlag, Korn-Wimmer, München
Besetzung
Marie | Mieke Biendara |
Sarah | Anna Rieser |
Olaf | Bernhard Georg Rusch |
Maries Mutter | Elisa Seydel |
Maries Vater | Frank Engelhardt |
Regie | Frank Panhans |
Ausstattung und Licht | Jan A. Schroeder |
Video | Silke Pielsticker |
Dramaturgie | Gerald Maria Bauer |
Gitarrencoaching | Paul Male |
Assistenz, Teilinspizienz | Rostyslav Samonov |
Teilinspizienz | Felix Metzner |
Regiehospitanz | Alexandra Fierascu |
Kritiken
Wiener Zeitung – 29.04.2016Kafkas Anleitungen zum Cybermobbing
Theater der Jugend zeigt eine Expedition in die heutige Teenager-Welt.
Literatur ist sexy. Es sind nämlich gekonnt platzierte Zitate von Franz Kafka, die "Sunrain" zunächst an "Netboy" faszinieren. Doch aus der literaturaffinen Internetfreundschaft entwickelt sich bald ein handfestes Psychodrama.
In dem Jugendtheaterstück "Netboy" führt Autorin Petra Wüllenweber, 45, vor, wie die Schülerin Marie sukzessive in die Fänge eines zunächst unbekannten Cybermobbers gerät. Das Stück setzt seit seiner Uraufführung 2015 zu einem Siegeszug auf sämtlichen Jugendtheaterbühnen an, und ist nun im Wiener Theater der Jugend, in der Spielstätte Theater im Zentrum zu sehen.
Aus der selbstbewussten Schulsprecherin Marie wird im Lauf der knapp 90-minütigen Inszenierung ein wehrloses Opfer, über das schließlich ein veritabler Shitstorm hereinbricht, der sie an den Rand ihrer Kräfte bringt.
Die Bühne (Jan A. Schroeder), eine silbergraue Landschaft, die fast ohne Requisiten auskommt, veranschaulicht, wie sich Realität und Virtualität in Maries Leben angleichen. Der Online-Chat wird überlebensgroß auf den Bühnenhintergrund projiziert. Der virtuelle Zufluchtsort Internet wird zum Purgatorium.
Die Darsteller Mieke Biendara, Anna Rieser und Bernhard Georg Rusch bringen in der einfühlsamen Regie von Frank Panhans nebenher auch große Momente eines Teenagerlebens auf die Bühne: Angefangen von ungerechten Lehrern, über Eltern, die nur "Stress machen", bis hin zum ersten Kuss.
"Dichtung ist immer eine Expedition nach der Wahrheit", schrieb einst Franz Kafka. "Netboy" ist eine Expedition zur Jugend 2016.
Petra Paterno
European Cultural News – 29.04.2016
Das verletzende Netz
„Netboy“ bietet nicht nur ein spannendes Theatererlebnis, sondern darüber hinaus jede Menge Gesprächsstoff für zuhause.
Die Bühne ist kahl, weiß, kühl. Eine Umgebung, in der man sich nicht geborgen fühlt. Sarah und Marie gehen in die Schule und tauschen im Bus gegenseitig Hausaufgaben aus. Olaf träumt von einer ersten Liebe, stellt sich aber so tollpatschig an, dass daraus nichts wird. Ein Szenario wie aus dem Leben von Millionen von Teenagern rund um den Globus. Auch, dass die Eltern von Marie geschieden sind und sie bei ihrer Mutter lebt, ist ein gängiges, zeitgeistiges Muster.
In „Netboy“ von Petra Wüllenweber , das derzeit im Theater der Jugend aufgeführt wird, scheint zu Beginn alles reibungslos zu verlaufen. Bald jedoch wird klar, dass sich Marie (Mieke Biendara) von ihren Eltern alleine gelassen und nicht ernst genommen fühlt. Ihr Vater (Frank Engelhardt), zu dem sie eine gute Beziehung hat, möchte mit seiner neuen Freundin in eine andere Stadt ziehen. Wochentags ist er mit Marie öfters virtuell verbunden, jedes zweite Wochenende ist seine Tochter bei ihm. Die alleinerziehende Mutter (Elisa Seydel), genervt aber trotzdem voller Sorge um ihre Marie, hat wenig Zeit für sie. So surft diese oft im Netz und lernt in einem Chat „Netboy“ kennen. Einen gleichaltrigen Jungen, der in der Schweiz in einem Internat lebt und bald maßgeblichen Einfluss auf das Leben von Marie ausübt. Die Klassensprecherin ist fasziniert von seinen Sprüchen, die er sich hauptsächlich von Kafka ausborgt. Eine Hass-Lehrerin wird bald das Ziel einer Mutprobe, zu der sie von Netboy angestachelt wird.
Für diese defäktiert Marie vor dem Hauseingang der Chemielehrerin, weiß aber nicht, dass sie dabei heimlich fotografiert wird. Von nun an beginnt sich eine Erpressungsspirale zu drehen, der sie nicht mehr entkommen kann. Frank Panhans inszenierte das Stück für Jugendliche ab 11 Jahren ohne Schönfärberei mit Mut zur Schonungslosigkeit. Als Marie versucht, sich aus dem Netz auszuklinken und offline zu bleiben, bricht ein Shitstorm über sie herein, der sie am Handy erreicht. Jan A. Schroeder, auch für die Bühne verantwortlich, setzte diesen mit Lichteffekten beeindrucken um. Der Druck, an dem Maria schließlich beinahe zerbricht, wird so stark, dass ihr letztlich nichts Anderes übrigbleibt, als die Schule und die Stadt zu verlassen.
Dem Publikum wird ein realistisches Szenario im Umgang mit unbekannten Internetkontakten geboten, das unter die Haut geht. Die Bekanntschaft zu Fremden im Netz, die ihre Köder ganz gezielt auslegen, kann in vielen Fällen fatal ausgehen. Die Inszenierung zeigt gut auf, was sich im worst case aus einer anonymen Internetfreundschaft entwickeln kann. Dennoch gibt es auch jede Menge Humor. Bernhard Georg Rusch spielt den Klassenkameraden Olaf, der in Maria verliebt ist. Einfach herrlich, wie er mit seinem inneren Alter Ego spricht, das den jungen, verschüchterten Mann ermuntert, bei den Mädels forscher zu agieren. Das junge Publikum im Saal kreischt vor Freude, als er seine ersten Annäherungsversuche an Sarah startet. Unbeholfen und ganz so, wie es die Jugendlichen tatsächlich in vielen Fällen selbst erleben.
Sarah (Anna Rieser), Maries Freundin, steht ihr in der bedrängten Situation nur bedingt zur Seite. Sie sorgt auch für einen überraschenden Schluss, den man schon als Knalleffekt bezeichnen kann. „Netboy“ bietet nicht nur ein spannendes Theatererlebnis, sondern darüber hinaus jede Menge Gesprächsstoff für zuhause.
Elisabeth Ritonja
Kronen Zeitung – 28.04.2016
Platz für Gedanken
Nahezu täglich berichten Zeitungen über Cybermobbing in Schulen. Laut Umfragen hat es Hochkonjunktur, und auf allen Seiten herrscht Ratlosigkeit, wie der Aggression im Netz beizukommen ist. Das Theater der Jugend (Theater im Zentrum) nimmt sich mit dem Stück „Netboy“ dieser schwierigen Thematik einfühlsam an.
Kinder und Jugendliche kommunizieren gerne übers Internet. Chatrooms, Schüler-Community-Center usw. sind soziale Netzwerke, welche von Kindern und Jugendlichen sehr häufig für den privaten Austausch genutzt werden. Auf den ersten Blick bietet das Internet vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation. Doch nicht immer werden diese Kommunikationsformen positiv verwendet.
Persönlichkeitsverletzende Fotos, Filme und Äußerungen von Kindern/Jugendlichen über andere werden hier öffentlich zugänglich gemacht. Was einmal im Internet veröffentlicht ist, wird schneller als man denkt vervielfältigt und/oder verändert und ist nicht mehr rückgängig zu machen.
In einer äußerst kurzweiligen Inszenierung von Frank Panhans – einfühlsam und dennoch drastisch – wird das spannende und brandaktuelle Stück „Netboy“ der preisgekrönten Autorin Petra Wüllenweber, die die unterschiedlichen Beweggründe und Intentionen zum Thema Cybermobbing gekonnt auf den Punkt gebracht hat, ergreifend zum jungen Publikum transportiert.
Mit lauten und leisen Momenten sowie mit einer aufregenden Bühnenpräsenz versprechen Mieke Biendara als Marie, Bernhard Georg Rusch als Olaf und Anna Rieser als Sarah ein spannendes „Schauspiel“, das genügend Platz für eigene Gedanken und Gefühle lässt.
Florian Krenstetter
Kurier online - KiKu – 26.04.2016
Schlau im Netz geködert, dann gemobbt
"Netboy" im Theater der Jugend (Wien): Flott und authentisch gespieltes Stück rund um (Cyber-)Mobbing. [...]
Zwar ist sie eben zur Klassensprecherin gewählt worden, während ihre Freundin, „nein eine Freundin“, Sarah nur zwei Stimmen bekommen hat, trotzdem scheint sich in Marie Leere breit zu machen. Irgendwie cool, doch auch nichts anderes als eine halt technologisch modernere Form der nicht wirklichen Anwesenheit, wenn sie mit ihrem Vater nur via Skype gemeinsam Pizza isst.
Situationskomik
Die Mutter ist auch nicht wirklich da und wenn, dann hat sie immer was zum rummeckern, ziemlich egal was die Tochter macht. Der Vater kündigt übrigens in einem dieser via Monitor geführten Gespräche an, mit seiner neuen Freundin nach Berlin zu ziehen. Aber in den Ferien könne sie ja dann bei ihnen wohnen... Blablabla – Die Gespräche mit den Eltern führen – immer wieder durch Situationskomik Lachen im Publikum hervorrufend – vor Augen und Ohren, wie Tochter und Vater/Mutter aneinander vorbeireden.
Einschleimen ...
Da kommt DIE Rettung aus dem Netz. Neben Bam 80 und Mickey Mouse 3 taucht ein „Netboy“ auf. Der geht auf Maries Stimmungslagen ein, gibt schlaue Sätze von sich, outet diese aber auch ehrlicherweise als Zitate von Franz Kafka, etwa „Nichtstun ist eine der größten und verhältnismäßig leicht zu beseitigenden Dummheiten.“
Da ignoriert Marie alle Avancen des realen Mitschülers Olaf, der sogar für sie eine CD kompiliert hat. [Netboy] verfällt sie schnell. Schritt für Schritt bewegt er sie dazu, sich zu öffnen, ihr Herz auszuschütten, etwa über die schikanöse Chemie-Lehrerin. Ein Zeichen müsse sie setzen, eine Aktion... Sie scheißt der Lehrerin auf die Türmatte. [...]
(Cyber-)Mobbing
[...] „Netboy“ hat Marie in eine Falle gelockt, sie offenbar bei der Aktion fotografiert, erst damit erpresst, sonst werde das Foto veröffentlicht. Doch sowohl der Rücktritt als Klassensprecherin sowie die verlangten 200 Euro helfen nichts. Das Foto wird verschickt, macht die Runde. Alle mobben Marie – im Cyberspace und ganz real in der Schule. Sie kann nicht mehr, sucht nach Tabletten und einem Kabel an dem sie sich erhängen will. Da helfen ihr auch Olafs Versuche, sie aufzumuntern nichts. Auch dass sich die ansonsten mühsame Mutter im entscheidenen Moment auf ihre Seite stellt nicht. Sie will weg, zum Vater nach Berlin. Doch das Netz ist überall. Oder sucht sich „Netboy“ ein neues Opfer?
Viele Situationen – sowohl in der Begegnung mit den Eltern als auch in der Schule, teils auch im Netz wirken ziemlich überzeugend und authentisch. Besonders genial das Ende – das hier bewusst nicht verraten sei, es würde Spannung und Überraschung kaputt machen.[...]
kurier.at/leben/kiku/jugendtheater-schlau-im-netz-gekoedert-dann-gemobbt/195.346.539
Heinz Wagner
Materialien
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