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2009/2010

Pinocchio 6 +

nach Carlo Collodi
von Thomas Birkmeir
mit neuen Dialogen und Liedtexten von Henry Mason
und Musik von Katrin Weber

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 18. Mai 2010 - 26. Juni 2010
Premiere: 20. Mai 2010
Regie: Henry Mason

»Geppetto: Geppetto hat einen Sohn – Geppetto wird für ihn sorgen!!! Und wenn ich mein letztes Hemd verkaufen muss! – Ich komme bald wieder! Heute beginnt für dich der Ernst des Lebens, mein Sohn!!!
Pinocchio: Der Ernst des Lebens? Das klingt aber gar nicht lustig!«

Thomas Birkmeir. Pinocchio

Es ist nicht leicht ein Mensch zu sein. Noch schwerer ist es, einer zu werden, vor allem, wenn man eine Holzpuppe ist. Pinocchio, dem eine Sternschnuppen- und Glücksfee Leben eingehaucht hat, soll seinem »Vater«, dem Sargmacher Geppetto, ein ganz besonderer Sohn werden: pflegeleicht, folgsam, artig und lieb – große Erwartungen für eine unerfahrene Holzpuppe, die begierig darauf ist, die Welt kennen zu lernen.

Da muss ein Babysitter her! Die etwas abgetakelte Showstar-Kakerlake Flibbertigibbit übernimmt dieses Amt mit großer Würde. Doch wie furchtbar schwer ist es, einen vorwitzigen und wissbegierigen Pinocchio zu bändigen! Da ihm seine Neugier immer eine Nasenlänge voraus ist und Fuchs und Kater versprochen haben, mit ihm gemeinsam die Welt zu erobern, nimmt Pinocchio schon bald Reißaus. Und nun ist es an Flibbertigibbit, diese eigenwillige Holzpuppe vor dem Unglück zu retten! Werden sie es schaffen, dem zwielichtigen Zirkusdirektor Malgusto ein Schnippchen zu schlagen? Können sie sich sich vor dem Kater Stupido und seinem Kompagnon, dem Fuchs Stronzo, in Sicherheit bringen? Sich aus den schauerlichen Klauen des geheimnisvoll-gefährlichen Vergnügungsparadieses befreien? Und wie stellt man es an, aus dem Bauch eines riesigen Wals zu entkommen?

Die wichtigste Frage aber: Wird Pinocchios größte Sehnsucht wahr? Wird er jemals ein richtiger Junge aus Fleisch und Blut?

Die Geschichte von Pinocchio wurde 1881 von Carlo Collodi, einem Journalisten und Zeitungsmacher, erfunden. Das Originalbuch ist bisher in über 200 Sprachen übersetzt. In Collodi, der Stadt, in der die Mutter des Pinocchio-Erfinders geboren worden war, feiert man jedes Jahr am 7. Juli Pinocchios Geburtstag.


Aufführungsrechte: Kaiser Verlag, Wien

Besetzung

Pinocchio Daniel Jeroma
Flibbertigibitt, die Showkakerlake Reinhold G. Moritz
Geppetto, der Sargmacher Horst Eder
Fantasma, die Sternschnuppenfee / Scuolastica, die Dorflehrerin Barbara Spitz
Stronzo, der Fuchs Christian Graf
Stupido, der Kater Pilar Aguilera
Fiora, die Blumenverkäuferin / Chouchou, französische Marionette Daniela Dett
Bigotto, der Dorfpfarrer / Malgusto, der Theaterdirektor Sebastian Eckhardt
Capelli, der Dorffriseur / Zeppo, der Clown / Pinocchio-Albtraum-Double Stefan Konrad
Zucchina, die Wirtin, Calamaris Tochter / Vroni, alpenländische Marionette Katharina Lochmann
Prigione, der Dorfpolizist / Zappo, der Clown Robert G. Neumayr
Calamari, der Wirt / Der böse Zuckerwattenclown Peter Steiner
Lavazza, die Wäscherin / Ludmilla, russische Marionette Julia Tiecher
Kakerlakenboys / Kakerlakengirls / Verwahrloste Kinder / Pompfüneberer / Fische und Schalentiere Daniela Dett, Katharina Lochmann, Barbara Spitz, Julia Tiecher, Sebastian Eckhardt, Stefan Konrad, Robert G. Neumayr
Musiker Gerald Schuller - Klavier, Peter Kusen - Trompete, Robert Pistracher - Bass, Bernd T.Rommel - Schlagzeug
Regie Henry Mason
Choreographie Ernst Gabriel Vokurek
Bühnenbild Michaela Mandel
Kostüme Jan Hax Halama
Musikalische Leitung Gerald Schuller
Licht Frank Sobotta
Korrepetition Stephanie Hacker
Dramaturgie Markus Felkel
Assistenz und Inspizienz Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz Florian Pilz

Kritiken

Kronenzeitung – 22.05.2010

Ballett der Kakerlaken-Boys

Im Renaissancetheater triumphiert für das Theater der Jugend die italienische Holzpuppe Pinocchio. Chef Thomas Birkmeir erweckte Carlo Collodis unvergängliches Märchen in neuer Form zum Leben, versah es mit neuen, heutigen Dialogen, ließ es von Henry Mason und Katrin Weber in ein Musical verwandeln.

Die aktuellen Dialoge Masons und die sangbare Musik Webers sorgen für vergnügliche Szenen; der berührend menschliche Charakter des uns alle in unserer Jugend mitreißenden Märchens wird zwar vergröbert, dafür gefallen aber die von Gerald Schuller arrangierte und dirigierte Musik und die turbulente Regie Masons.

Die Showkakerlake Flibbertigibit, bravourös gespielt und gesungen von Reinhold Moritz, führt Pinocchio, das von der Sternschnuppenfee (Barbara Spitz) vermenschlichte Stück Holz, durch alle Wirren des menschlichen Daseins. Und rettet Pinocchio – ein hochbegabte Bewegungstalent: Daniel Jeroma – aus allen Abgründen.

Dem vereinsamten Sargmacher Geppetto (Horst Eder) hat die Fee den hölzernen Sohn mit der langen Nase geschenkt. Der dominante Fuchs Stronzo (Christian Graf) und der dümmliche Kater Stupido (Pilar Aguilera) sind die Verführer des Pinocchio, der in seinem Dorf noch viele andere Figuren kennenlernt: die Blumenverkäuferin Flora (Daniela Dett), den extravaganten Friseur Capelli (Stefan Konrad), den Dorfpfarrer Bigotto (Sebastian Eckhardt) und den Wirt Calamari (Peter Steiner) sowie zahlreiche Kakerlaken-Boys und -Girls. Zuletzt muss er aus dem Bauch eines Wals gerettet werden.

Das alles ist mit viel Phantasie optisch umgesetzt (Michaela Mandel und Jan Hax Halama). Eine Aufführung, deren Charme und Witz Kinder und Erwachsene erliegen.

Volkmar Parschalk


Der Standard – 22.05.2010

Pinocchio ist ein Gigolo

Das Theater der Jugend überzeugt mit einer schwungvoll aufgepeppten Version von Carlo Collodis Klassiker: mit Kuh-Kurtisanen-Gruppe!

Kann man aus einem über einhundert Jahre alten Kinderbuch, das eindeutig in die Kategorie »erhobener Zeigefinger« gehört, unterhaltsames und zeitgemäßes Theater machen? Die aktuelle Pinocchio-Inszenierung des Theater der Jugend zeigt: Ja, man kann!

Pinocchio 2010 ist ein präpotenter Teenager; wenig erinnert an das Püppchen aus Carlo Collodis Originalfassung. Auch die Gesellschaft, in die der Holzjunge eingegliedert werden soll, ist eine andere, ihre moralische Fragwürdigkeit mehr als offensichtlich. Thomas Birkmeirs Bearbeitung stellt sich meist auf Pinocchios Seite: »Der Ernst des Lebens? Das klingt aber gar nicht lustig!«

Birkmeir unterzieht den Text einer Radikalkur, außer Ende und Anfang, der italienischen Kleinstadt und dem Walbauch, bleibt wenig an seinem Platz: Das Puppenspiel, in dem Pinocchio nach seinem Ausriss Anstellung findet, ist eine Varieté-Show, Pinocchio ihr Gigolo. Das verführerische »Land der Spielereien« gleicht dem Vergnügungsprater, die wunderbar dickbusige Fee Fantasma schwebt auf einer HiFi-Anlage einher. Vorangetrieben wird das Stück von den sparsam, dafür umso effektvoller arbeitenden Musikern, die zusammen mit der soliden Choreografie vor allem im zweiten Teil für Tempo sorgen.

Das Schönste an der Show sind jedoch die hintergründigen Slapstick-Einlagen des Ensembles: Egal, ob internationale Kuh-Kurtisanen-Tanzgruppe auf der Kabarettbühne oder exotisch-erotische Fischwesen am Grund des Ozeans, es liefert, gewürzt mit einer Prise Travestie, entzückende Performances.

Susanne Fuchs


Wiener Zeitung – 22.05.2010

Eine Kakerlake als Showstar

Er heißt Flibbertigibitt, ist eine Kakerlake und ein Showstar. Er führt das Publikum durch die Geschichte von der Holzpuppe, die so gern ein richtiger Junge sein möchte und auf dem Weg dahin die tollsten Abenteuer erlebt.

Das Renaissancetheater bringt jetzt als letzte Produktion der Saison Thomas Birkmeirs Bühnenfassung von Carlo Collodis berühmtem Roman »Pinocchio« in einer rasanten, sehr schrägen Inszenierung von Henry Mason. Birkmeir erfand die köstliche Figur der oben genannten Kakerlake (brillant Reinhold G. Moritz), die zum Freund und Wegbegleiter des naiven, leichtgläubigen Pinocchio (hochbegabt Daniel Jeroma) wird. Und so kann diesem letztlich keiner etwas anhaben, auch nicht die beiden Intriganten Fuchs und Kater (witzig Christian Graf und Pilar Aguilera), und als Ziehvater Geppetto (berührend Horst Eder) verschwunden ist, macht Pinocchio sich auf, ihn zu retten. Und wird schließlich zum richtigen Jungen aus Fleisch und Blut.

Vielleicht ist manches an der exzellenten Aufführung für die jüngsten Zuschauer (sechs Jahre) zu schwierig, zu raffiniert, doch die ungeheure Spielfreude aller Beteiligten, die Fantasie bei Bühne und Kostümen (Michaela Mandel, Jan Hax Halama) macht das Ganze zweifellos auch für die Kleinsten zum freudigen Erlebnis.

Lona Chernel


Kurier – 30.05.2010

R wie radikal erneuert

Die radikale Persönlichkeitsveränderung des weltberühmten Romangesellen, die da im Renaissancetheater zu sehen ist, verdanken wir Thomas Birkmeir, dem Chef des Theaters der Jugend höchstpersönlich. Er hat Pinocchio gemeinsam mit Regisseur Henry Mason zum zeitgemäßen, schrillen Star in einem bunten Musical-Reigen mutieren lassen, zum ebenbürtigen Partner der Show-Kakerlake Flibbertigibbitt, des Fuchses Stronzo, des Katers Stupido und der Sternschnuppenfee Fantasma. Da wird getanzt, gesungen und geslapstickt, was das Zeug hält.

Daniel Jeroma kann sich als recht hölzerner Pinocchio ganz auf die Routine des bewährten TdJ-Ensembles – Pilar Aguilera, Horst Eder, Sebastian Eckhardt, Reinhold G. Moritz, Barbara Spitz – verlassen. Die Musik von Gerald Schuller ist perfekt. Ebenso das Bühnenbild von Michaela Mandel. Für Kinder ab 6 Jahren.

Susanne Lintl