2007/2008
Antigone 13 +
nach Jean Anouilh von Folke Braband
nach einer Inszenierung der Vaganten Bühne Berlin
Stückinfo
Ort: | Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3 |
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Zeitraum: | 07. Januar 2008 - 12. März 2008 |
Premiere: | 15. Januar 2008 |
Regie: | Folke Braband |
»Chora: Was ist da eigentlich genau vorgefallen? Wie war das?«
(Folke Braband. antigone)»Nur das Unausgesprochene ist wahr.«
(Jean Anouilh. Antigone)
Zapp – und wir sind mitten drin in einer dramatischen TV-Auseinandersetzung. Die eloquente und distanzierte Talkmasterin Chora hat für ihre Fernsehshow drei Gäste ins Studio geladen. Die Sendung läuft, der erste Gast, ein Wächter, wird bereits befragt, das Thema kennen wir nicht. Von einem Toten ohne Begräbnis ist die Rede, und davon dass ein Mädchen mit einer Schaufel versuchte, Erde über den Leichnam zu werfen. Der Name Kreon fällt, später dann: Antigone.
Es ist die Geschichte der Heldin der gleichnamigen Tragödie des Sophokles, uraufgeführt 442 v. Chr., die hier vor mehreren Kameras in gleißendem Scheinwerferlicht als anregender Krimi aufgerollt wird. Bericht und Kommentar, in der Antike Aufgabe des Chores, übernimmt heute die Moderation. Eine Talkmasterin, die über allem steht und doch gezielt Emotionen durchblicken lässt, zieht die Fäden, und die Beteiligten tanzen: der Wächter als Vertreter des einfachen Mannes, Kreon, der Machthaber, der staatsmännisch sein politisches Kalkül ins Treffen führt und schließlich Antigone, das widerständige Mädchen, das nicht sterben will und es dennoch als ihre individuelle Pflicht sieht, das zu tun, was ihr den Tod bringt.
Wer ist im Recht? – Ein alter Mythos wirft in neuen Fernsehbildern ewig aktuelle Fragen auf. Ausgehend von der Anouilh'schen Vorlage gestaltet der Regisseur Folke Braband ein packendes und reizvolles Vexierspiel über Wut, Verletzung, Verunsicherung und – nicht zuletzt – Mitgefühl.
Aufführungsrechte: Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs GmbH, Berlin
Besetzung
Antigone | Dominique Chiout |
Chora | Doris Prilop |
König Kreon | Romanus Fuhrmann |
Der Wächter | Guido Hammesfahr |
Regie | Folke Braband |
Bühne und Lichtkonzept | Tom Presting |
Kostüme | Katharina Beth |
Dramaturgie | Marlene Schneider |
Inspizienz | Veronika Krenn |
Kritiken
Wiener Zeitung – 17.01.2008Die Talkmasterin als Chorus
Chora nennt sie sich und ist Talkmasterin einer Fernsehshow. Selbstverliebt und distanziert redet sie über alles, was Quoten bringen könnte. Diesmal geht es um Antigone, die trotz des Verbotes ihres Onkels Kreon versuchte, ihren Bruder zu begraben.
Zuerst spricht Chora (die hier die Funktion des antiken Chores übernahm) mit dem Wächter, der bemüht ist, seinen Diensteifer zu beteuern. Es folgt die nur ihren Idealen verpflichtete Antigone und schließlich Kreon, der Herrscher mit dem glasklaren politischen Kalkül.
Folke Braband (der auch Regie führte) demaskiert in diesem einstündigen Spiel schonungslos eine Gesellschaft, die meint, dass man doch über alles reden kann und dabei buchstäblich das Leben und letztlich auch den Tod »zerredet«. Man würde Seiten brauchen, um die vielen faszinierenden Details dieser bravourösen Produktion, die im Rahmen des Theaters der Jugend im Theater im Zentrum zu sehen ist und einem die Begegnung mit einem brillanten Darstellerquartett (Doris Prilop, Dominique Chiout, Romanus Fuhrmann, Guido Hammesfahr) beschert, aufzuzählen.
Lona Chernel
Kronen Zeitung – 18.01.2008
Quotenjagd mit Thebens Katastrophe
Sophokles' (und Jean Anouilhs) »Antigone« mit ihrem Zwang wird zum Opfer einer diktatorischen Macht und der Geilheit der Medien nach Skandalen: Im Theater im Zentrum erweist sich das als ein packender Stoff, aus dem moderne Theaterabende gemacht sind.
Folke Brabands Version des klassischen Tragödienstoffes – im Theater zu sehen »nach einer Inszenierung der Vaganten Bühne Berlin« – konzentriert sich auf das Warum eines Drangs: Warum muss Antigone ihren Bruder Polyneikes begraben, warum muss sie sich König Kreons Willen widersetzen?
Eine dichte Aufführung lang wird mit plattem Zeitton nach dem Sinn gefragt – von der schicken und natürlich redseligen Moderatorin Chora in Geist und Seele gebohrt. Doris Prilop macht das in bester, emsiger Arabella-Kiesbauer-Manier: auf Quotenjagd und bei Katastrophen leicht echauffiert.
Lässt sich Schwesterliebe überhaupt erklären? Thebens König (unverbindlich: Romanus Fuhrmann) will mit der Leiche ein Exempel statuieren. Und treibt auch seinen Sohn Haimon mit Antigone in den Tod: Brabands Regie in schnellem Talk-Show-Stil gibt diesem (Liebes-) Drama der Jugend großen Raum. Dominique Chiout überzeugt dabei als Antigone mit Jugendlichkeit in Bluejeans und Sweater: eine antike Tragödie in modernem Gewand. Spannend!
Thomas Gabler