2006/2007
Bradley – letzte Reihe, letzter Platz 6 +
von Louis Sachar
in einer Übersetzung von Gerald M. Bauer
Europäische Erstaufführung
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 10. Januar 2007 - 19. Februar 2007 |
Premiere: | 12. Januar 2007 |
Regie: | Gerald Maria Bauer |
»Ich möchte heute über Monster aus dem Weltall sprechen!«
Louis Sachar
Bühne frei für Bradley Chalkers! Ein Anti-Held der Spitzenklasse – denn in der Schule nimmt Bradley auf der »Allgemeinen-Unbeliebtheits-Skala« den unangefochtenen ersten Platz ein, weshalb er auch alleine und isoliert in der letzten Reihe sitzt. Keiner mag Bradley – und den Mädchen entfährt sogar ein entsetztes »Uäääh«, wenn er ihnen über den Weg läuft.
Doch das ist Bradley egal, denn »alle anderen sind Idioten« und überhaupt: Freunde, wozu? Die hat er längst gefunden – im Kreise seiner Stofftiere in seinem Schlafzimmer. Dort ist er der Held, dort wird er gefeiert, dort steht er im Mittelpunkt.
Ganz schön seltsam, ein Junge, der mit seinen Puppen spricht, sonst aber niemanden an sich heranlässt! – Das denkt auch Jeff Fishkin, der Neue an der Schule, der sich neben Bradley setzen muss, weil sonst kein Platz mehr frei ist. Wer jetzt vermutet, die beiden könnten Freunde werden, irrt gewaltig.
Denn mit Bradley befreundet zu sein, ist ungefähr so wie in einem Zimmer mit Vogelspinnen und Vampiren eingesperrt zu sein – ohne Aussicht auf Entrinnen.
Bradley mault, Bradley grinst, Bradley spuckt. Und je unbeliebter er wird, desto wohler scheint er sich zu fühlen.
Erst als eine neue Psychologin an seine Schule kommt, gerät sein Weltbild ins Wanken – er beginnt doch tatsächlich seine Hausaufgaben zu machen! – Und was noch schlimmer ist: Er ist zum ersten Mal ein ganz klein wenig verliebt …
Eine zärtliche Parabel um das »Anders-Sein«, das Lernen von Kollegialität und nicht zuletzt die Sehnsucht, »geliebt« zu werden. Vor allem aber ist es eine Geschichte darüber, wie schnell man sich mit der Rolle abfindet, die die anderen einem zugedacht haben.
Aufführungsrechte: Kaiser Verlag, Wien
Besetzung
Bradley Chalkers | Matthias Mamedof |
Jeff Fishkin | Dennis Cubic |
Carla Davis | Pia Baresch |
Colleen Verigold | Suse Lichtenberger |
Lory Westin | Christina Schaefer |
Melinda Birch | Kirstin Schwab |
Brian | Jan Pohl |
Robbie | Michael Schusser |
Mrs. Ebbel/Schuldirektorin | Nina Gabriel |
Mrs. Chalkers/Mrs. Verigold | Martina Spitzer |
Mr. Chalkers | Uwe Achilles |
Ein Lehrer | Klaus Rott |
Mr. Verigold/Der Schulwart | Peter Steiner |
Bartholomew, der Bär | Josef J. Borbely |
Ronnie, der Hase | Michael Schusser |
Kim, ein Zwergkaninchen | Christina Schaefer |
Die Gans | Jan Pohl |
Regie | Gerald Maria Bauer |
Bühne, Kostüme und Lichtkonzept | Friedrich Eggert |
Musik | Klaus Erharter |
Puppencoach | Cordula Nossek und Karin Schaefer |
Dramaturgie | Markus Felkel |
Assistenz und Inspizienz | Sebastian Hellinger |
Hospitanz | Veronika Krenn |
Kritiken
Kurier – 14.01.2007Gar nicht so schlimm
Gar nicht so schlimm
Er ist – auf den ersten Blick – ein Ekel: Bradley Chalkers spuckt und flucht und mag keine Mädchen (»weil denen braucht man nur eine runterzuhauen und dann heulen sie«). Doch tief in ihm drin brennt die Sehnsucht, von den anderen gemocht zu werden, nicht immer nur das »Monster« zu sein. Bradley kommt diesem Ziel ein Stückchen näher, als die Schule eine unkonventionelle Psychologin namens Carla engagiert. Und als der Neue in der Klasse, Jeff Fishkin, irgendwie sein Freund wird.
Selten ist ein Theaterstück für junges Publikum so mitreißend in Szene gesetzt worden wie hier. Gut, die Buchvorlage von Louis Sachar ist erstklassig, aber dennoch ist es nicht leicht, den flapsig-fröhlichen Stil von »Bradley – letzte Reihe, letzter Platz« auf die Bühne zu übersetzen. Regisseur Gerald Maria Bauer gelingt dies scheinbar mühelos – es gibt keine Längen und Fadessen in dem Zweistundenstück. Und wenn man sich umsieht, hat der Großteil des Publikums stets ein Lächeln auf den Lippen.
Besonderes Lob verdienen die bonbonbunte Ausstattung von Fritz Eggert, der authentisches amerikanisches Highschool-Flair schafft; und natürlich die Schauspieler, allen voran Matthias Mamedof als Bradley und Dennis Cubic als Jeff. Pia Baresch überzeugt als Carla, Kirstin Schwab beweist als Schülerin Melinda Schlagkraft, Suse Lichtenberger gibt der Ziege Colleen die perfekte hysterische Note. Begeisterter Applaus, und das zu Recht.
Susanne Lintl
Kronen Zeitung – 14.01.2007
Junger Trotzkopf lernt das Leben
Ein Bub stolpert durchs Leben bis zum Happy End. Ernst ist das Leben – und diesmal auch das Theater der Jugend. Denn mit der europäischen Erstaufführung von Louis Sachars »Bradley – letzte Reihe, letzter Platz« wird ein ewiges Problem kleiner Leute angesprochen: das Außenseiter-Dasein. Aber es darf auch gelacht werden!
Klassenzimmer und Pausenhof sind die Schauplätze für Bradleys Verweigerung und Aggression. Als Fluchtpunkt bleibt Louis Sachars Antiheld das Kinderzimmer, in dem es sich der Einsame mit den sprechenden Plüschtieren gemütlich macht. Mit hängenden Schultern schlurft der »Spucker« durch die Welt aus Mitschülern, Eltern, Lehrern … Bis ein merkwürdiger Typ namens Jeff Fishkin auftaucht und sein Freund werden will – und eine junge, sympathische Schulpsychologin (Pia Baresch), die das Herz und die Seele des verstockten Kleinen öffnet. Eiskalt erwischt da den Trotzkopf das schlechte Gewissen.
Europa ist glücklicherweise noch immer nicht Amerika. Und Gerald M. Bauer (Übersetzung und Regie) hat »Bradley« etwas vom »American Way of Life« abgerückt und sich nicht auf Effekte konzentriert. Seinem jungen Publikum war das auch recht, es hat Spaß an der nicht immer so lustigen Geschichte eines Jungen, der das Leben lernt.
Musicalbunt, einfallsreich und praktisch ist Friedrich Eggerts Bühnenbild mit pistaziengrüner Fünfziger-Jahre-Nostalgie: Szenenapplaus für die in die Bühne eingeschobenen Zimmer!
Matthias Mamedof besitzt als Bradley jene kindliche Phantasie, die Scheinwelten und Lügenmärchen wahr werden lassen. Suspekt ist ihm »Jeff« Dennis Cubic schon, aber ein Kumpel wäre auch nicht schlecht: Mamedof macht diesen Zwiespalt überzeugend sichtbar. Die »Kids« spüren das sofort.
Altjüngferliche Lehrerinnen, schrille Mütter, kreischende Mädchen und balzende Knaben: Bauer dirigiert diese Typenvielfalt durch ein flottes, perfektes Spiel, bei dem es schon einmal mucksmäuschenstill wird im vollen Zuschauerraum.
Thomas Gabler
Wiener Zeitung – 16.01.2007
Mut zum Erwachsensein
Die Darstellerleistungen sind ganz ausgezeichnet, die Ausstattung (Fritz Eggert) ist fantasievoll, die sich bewegenden, sprechenden Stofftiere sind einfach eine Schau, wen wundert's, wenn das Publikum im Renaissancetheater nach der Premiere von »Bradley – letzte Reihe, letzter Platz« kaum endenwollenden Beifall spendete.
Zweifellos, das Jugendstück des 1954 geborenen New Yorker Louis Sachar, das im Rahmen des Theaters der Jugend zur Europäischen Erstaufführung kam, wirkt in machen Passagen für unsere Begriffe fast exotisch amerikanisch. Doch der Grundtenor, der da lautet: »Es braucht viel Mut um erwachsen zu werden und die Wege dorthin sind mühsam und verschlungen« ist überall gültig.
Es ist atemberaubend, Matthias Mamedof zuzuschauen, wie er – unter der exzellenten Regie von Gerald Maria Bauer – Bradley aus der Krise führt, ihn scheue Liebesgefühle für die Schulpsychologin (hervorragend Pia Baresch) entwickeln lässt und sich schließlich – dem Kindsein tapfer ade sagend – von einem seiner geliebten Stofftiere trennt. Eine liebenswerte, witzige, poetische Anleitung zum Aufbruch in die Zukunft.
Lona Chernel