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  • Der Schimmelreiter Der Schimmelreiter
 

2005/2006

Der Schimmelreiter 13 +

nach Theodor Storms gleichnamiger Novelle
von Franziska Steiof
Eine Produktion von DEICHART und Theater im Werftpark Kiel


Österreichische Erstaufführung
Gastspiel

Stückinfo

Ort: Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3
Zeitraum: 16. Januar 2006 - 05. April 2006
Premiere: 19. Januar 2006
Regie: Franziska Steiof

»Nur einen Fuß noch höher, dann ist's genug für diese Fluth!
Ausgehalten, Leute! Ausgehalten!«
(Theodor Storm. Der Schimmelreiter)

»Er ist ein Meister, er bleibt!«
(Thomas Mann über Theodor Storm)


Noch als er ein Kind ist, merken die Menschen um ihn herum: Hauke Haien, der Sohn des Kleinknechts Tede, ist etwas Besonderes: denn Hauke besitzt eine schnelle Auffassungsgabe und hat ein unbändiges Interesse, die Dinge zu beobachten. Und so nimmt es kaum Wunder, dass Hauke bald der neue Deichgraf ist. Von nun an gilt all sein Tun seiner großen Verantwortung, die Menschen im niedrigen Wattenland vor den Fluten des Meeres zu beschützen. Und er hat Großes vor: ein neuer Deich muss her, flacher und breiter als der alte! Denn der ist sicherer, und nebenbei lässt sich dem Meer auch fruchtbares Land abgewinnen. Immer weniger folgt die Bevölkerung den ehrgeizigen Plänen des Deichgrafen: etwas Unheimliches, Verbissenes umgibt Hauke Haien, und als er eines Tages einen alten, klapprigen Schimmel nach Hause bringt, der sich in seiner Obhut prächtig entwickelt, macht sich gefährlicher Aberglaube breit …

»Ihr könnt nichts Rechtes, so wie die Menschen auch nichts Rechtes können!«, ruft der neue Deichgraf Hauke Haien jenen tobenden Fluten entgegen, die sein Lebenswerk zerstören. Aufstieg und Untergang des hochbegabten und ehrgeizigen Sonderlings Hauke Haien sind das Thema der Storm'schen Schicksals-, Charakter- und Gesellschaftsnovelle, die als ein großes Bekenntnis zur Humanität seit langem Einzug in die Weltliteratur gehalten hat. Franziska Steiof hat den Schimmelreiter für die Bühne adaptiert und lädt zu einer aufregenden Entdeckungsreise nach der Storm'schen Sprache ein.

Aufführungsrechte: Verlag Autorenagentur, Berlin

Besetzung

Erzähler / Hauke Haien Eirik Behrendt
Erzählerin / Elke Volkerts / Wienke / Ein Angorakater Maike Wehmeier
Erzähler / Tede Haien / Ole Peters / Iven Nickel Bösenberg
Erzähler / Deichgraf Volkerts / Oberdeichgraf / Carsten Tom Keller
Regie Franziska Steiof
Ausstattung Sibylle Meyer
Musik Tom Keller
Dramaturgische Betreuung Markus Felkel
Einrichtung und Inspizienz Eva Maria Gsöllpointner

Kritiken

Kronen Zeitung – 21.01.2006

Wider die Unwissenheit

Abergläubisch sind die Menschen immer noch! Theodor Storms »Der Schimmelreiter« ist ein schönes Stück der Literaturgeschichte. Das Gastspiel des Kieler Theaters im Werftpark (und DeichArt) im Theater im Zentrum beweist die Bühnenfähigkeit der Novelle – auch im Heute.

Storms Bekenntnis zur Humanität, zur »Überwindung der Unwissenheit und Pflege der Menschenliebe« spiegelt sich auch im »Schimmelreiter« wider. Aber Franziska Steiofs Bühnenversion hat noch einen weiteren Pluspunkt: Ohne den perfekten Erzählton Storms zu zerstören, gelingt ihr ein spannender Abend. Und: Welcher Jugendlicher liest heute noch Novellen wie diese?

Die vier jungen Kieler Schauspieler sprechen eine in Wien schon seltene, klare Bühnensprache ohne »och« und »nich«. Fantasie, Witz und Ernst bestimmen das Spiel vor einem Prospekt mit dem Wattenmeer. Frisch wird so die »Deichgespenstsage«: Die Geschichte vom jungen Deichgrafen Hauke Haien (Eirik Behrendt), der dem Meer Land und den Menschen Widerstand gegen die Trägheit abtrotzt (scheitert und in den Fluten untergeht), gewinnt durch die Tatkraft der jungen Schauspieler.

Von der Katze zur Frau Elke mutiert da etwa Maike Wehmeier, vom bösen Ole Peters zum ängstlichen Iven Nickel Bösenberg und vom Erzähler zum Musiker Tom Keller: lustvolles, aber seriöses Theater.


Thomas Gabler


Kurier – 23.01.2006

Ehrenwerter Versuch

Wer kennt sie nicht, Theodor Storms im Schulunterricht häufig bemühte, von den Lesenden aber nicht immer auch geschätzte Novelle »Der Schimmelreiter«? Für das Theater im Zentrum (in Koproduktion mit dem Kieler Theater Werftpark) hat Franziska Steiof nun den Aufstieg und Untergang des Deichgrafen Hauke Haien für die Bühne adaptiert und in Szene gesetzt.

Und Steiof ist redlich bemüht, das Storm'sche Pathos zu entschärfen, den Bewohnern am Wattenmeer theatralische Kraft zu verleihen. In Sibylle Meyers karger Ausstattung kommt Steiof mit wenigen Requisiten aus; auf offener Bühne schlüpft ein Darsteller-Quartett in diverse Rollen. Mit dem Einsatz von Musik (gut: Tom Keller) soll Storm aufgelockert, lebendiger, für ein junges (ab 13 Jahren) Publikum nachvollziehbarer werden.

Das gelingt meist recht gut: Vor allem dann, wenn Nickel Bösenberg und Tom Keller echte Typen zeichnen dürfen, wenn Maike Wehmeier nicht nur als treu ergebene Elke leiden, sondern etwa als Kater (!) auch kratzen und miauen darf. Und Eirik Behrendt ist als Hauke ideal besetzt, zeichnet einen erst unbeholfenen, später vom Ehrgeiz zerfressenen Schimmelreiter.


Peter Jarolin


Wiener Zeitung – 21.01.2006

Literatur erleben

Eine Frau und drei Männer, gekleidet in lange, helle Mäntel, erzählen vom Schimmelreiter: chorisch, solistisch, die einzelnen Figuren (auch die Tiere) herrlich komödiantisch verkörpernd.

Die deutsche Autorin und Regisseurin Franziska Steiof hat Theodor Storms Novelle »Der Schimmelreiter« für die Bühne adaptiert und ungemein einfallsreich, packend und farbig inszeniert. Mit dieser interessanten Produktion gastieren DeichArt und das Theater im Werftpark, Kiel, nun im Rahmen des Theaters der Jugend im Theater im Zentrum.

Es ist eine Aufführung, bei der alles stimmt: Die bis ins kleinste Detail stimmige Ausstattung (Sibylle Meyer), die Musik (Tom Keller), das minutiöse Zusammenspiel des Darstellerquartetts. Im Mittelpunkt steht Eirik Behrendt als in seiner Aufgabe völlig aufgehender Deichgraf, der alles daransetzt etwas Gutes für die Menschen zu schaffen und doch von den meisten beargwöhnt und missverstanden wird.

Um ihn herum stellen Maike Wehmeier, Nickel Bösenberg und Tom Keller ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis.

Eine spannende, eine fesselnde Aufführung, bei der das jugendliche Publikum Literatur hautnah erleben kann.


Lona Chernel


Klein&Kunst-online – 24.01.2006

Zugegeben, die Überwindung war keine kleine: Schließlich klingt »Schimmelreiter« nach Zwangsliteratur im Gymnasium: […] Aber gut, dass es Franziska Steiof gibt. Verlangt die Autorin der Bühnenfassung und Regisseurin ihren vier Darstellern doch chamäleonartige Künste ab, was sehr viel Schwung in die Sache bringt und eine Art Schnelldurchlauf des vielseitigen Könnens der Darsteller. […]

Ein Pflichtprogramm – nicht nur für jene, die den Schimmelreiter ohnehin auf der schulischen Leseliste haben. Damit der Herr Storm sein hartnäckiges Image ein bissl aufpolieren kann…


Sylvie Wasshuber