2005/2006
Der gestiefelte Strassenkater 6 +
Ein Musical von Peter Lund (Text) und Thomas Zaufke (Musik)
Uraufführung
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 29. März 2006 - 13. Mai 2006 |
Premiere: | 30. März 2006 |
Regie: | Peter Lund |
»Immer, wenn man ein Tier genau betrachtet, hat man das Gefühl, ein Mensch, der drin sitzt, macht sich über einen lustig.«
(Elias Canetti)»Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, einen Hund zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.«
(Maxim Gorki)
Archie hat nichts als Ärger mit seiner Mutter, die ihn dazu drängt, endlich einen Job in der ansässigen Fabrik anzunehmen. Doch der Junge verbringt seine Zeit viel lieber mit seinem alten Kater Friedrich. Als die Mutter droht, das Tier einschläfern zu lassen, steht für Archie fest: Er und Friedrich müssen möglichst schnell von hier verschwinden!
Abhauen ist die eine Sache, eine neue Unterkunft jedoch zu finden die andere – denn das ist gar nicht so leicht! Vor allem, wenn es abends kalt und dunkel wird, keiner einem eine gute Nacht wünscht und man feststellen muss, dass das Knurren im Magen immer lauter wird. Die Lust am Abenteuer ist schnell vergangen! Da entwickelt der Kater einen größenwahnsinnigen Plan: Er will aus Archie einen Millionärssohn machen und sich endlich wieder mit Katzenfutter den Bauch voll schlagen.
Wie er das anstellt und was den beiden Ausreißern dabei alles widerfährt – davon erzählt diese komödiantische Märchenparodie mit viel Musik.
Ein Auftragswerk des Theaters der Jugend
Besetzung
Kater | Benjamin Eberling |
Archie | Markus Schöttl |
Irmgard, Archies Mutter | Susanne Szell |
Frau Direktor Boshammer | Susanne Altschul |
Lisa, ihre Tochter | Karin Lischka |
Notar Übelmüller / Bahnbeamter Passant / Gefängniswärter | Uwe Achilles |
Pfandflaschenpaule / Ankleiderin Polizist / Aufsichtsrat | Klaus Rott |
Mülltonnenegon / Ankleiderin Verkäufer / Aufsichtsrat | Peter Steiner |
Baby Wichtig / Ankleiderin Aufsichtsrat | Herbert Pendl |
Chauffeur | Michael Schachermaier / Sebastian Golser |
Musiker | Gerald Schuller, Thomas Hojsa, Klaus Gesing, JoJo Lackner |
Regie & Choreografie | Peter Lund |
Musikalische Leitung | Gerald Schuller |
Bühnenbild & Lichtkonzept | Ulrike Reinhard |
Kostüme | Polly Matthies |
Dramaturgie | Markus Felkel |
Korrepetition | Hannes Drobetz |
Assistenz & Inspizienz | Michael Schachermaier |
Hospitanz | Sebastian Golser |
Kritiken
Kurier – 01.04.2006Ein echter Volltreffer
Arbeit in der Fabrik? Nein, danke! Lieber nimmt Archie Reißaus und fristet sein Leben als Obdachloser. An seiner Seite: Kater Friedrich, der nicht nur sprechen kann, sondern dem Jungen munter Lektionen in der Liebe und im Klassenkampf erteilt. Denn die Produktionsmittel gehören doch allen, in Peter Lunds (Text und Regie) und Thomas Zaufkes (Musik) toller Märchen-Adaption »Der gestiefelte Straßenkater«.
Im Renaissancetheater haben Lund und Zaufke mit ihrem herrlich bösen, dabei lebensfrohen Musical für das Theater der Jugend einen Volltreffer gelandet. Sozialkritik und Romantik – das funktioniert auch dank der Darsteller bestens. Benjamin Eberling als Kater, Markus Schöttl als Archie sowie Susanne Altschul, Uwe Achilles und Karin Lischka als großartig überdrehte »Oberschicht-Schnepfe« brillieren, machen nicht nur Kinder glücklich.
Peter Jarolin
Kronen Zeitung – 03.04.2006
Schräger Kater
Das waren noch Zeiten, als Grimms Gestiefelter Kater noch mit Zauberern, Mäusen und Prinzessinnen verkehrte. Heute rockt »Der gestiefelte Straßenkater« in Musicalform im Theater der Jugend, weniger raffiniert als sein Urahne, dafür aber gefräßig und schräg.
Aber immerhin: Er ist politisch korrekt, poppig und sehr aufgeklärt! Was den jungen Leuten gefällt.
Archie ist 16, hat keine Lust auf einen Fabriksjob, kümmert sich weder um Geld noch Aussehen. Als er ausreißt und als Obdachloser auf der Straße landet, bekommt er Lebensnachhilfe von seinem fetten Hauskater und erkämpft sich eine reiche Liebe, sein Recht – um am Ende wieder nichts zu tun.
Peter Lund und Thomas Zaufke haben ein rundum unterhaltsames Musical geschrieben, das im Renaissancetheater Anklang findet und auch von Lund inszeniert wird. Handwerklich ist vieles perfekt: Witzig, charmant und ein bisschen kitschig, augenzwinkernd und ein bisserl verdreht. Und voll von bestens gemeinter Kapitalismus- und Globalisierungskritik, wenn auch eher simpel gestrickt. Eine romantische, sozialpolitische Schutzimpfung für die Jüngsten also.
(Es) wird immerhin mit Schwung gespielt (Markus Schöttl, Karin Lischka, Benjamin Eberling); die Typen sind gut gezeichnet, eindrucksvoll das Bühnenbild (Ulrike Reinhard).
Oliver Lang
Wiener Zeitung – 03.04.2006
Es ist eine neue Version des alten Märchens und im Mittelpunkt steht eine abgrundböse Konzernchefin (brillant Susanne Altschul), deren Passion es ist, Leute zu entlassen. Doch sie hat die Rechnung ohne den listenreichen Kater gemacht, den Benjamin Eberling mit Verve verkörpert.
Reizend ist das Liebespaar (Karin Lischka, Markus Schöttl), eindrucksvoll sind die obdachlosen Arbeitslosen (Susanne Szell, Klaus Rott, Peter Steiner, Herbert Pendl). Thomas Zaufkes schwungvolle Musik wird von vier Musikern bestens präsentiert und trägt ebenso zum formalen Erfolg des Abends bei, wie Ulrike Reinhards flexibles Bühnenbild und Polly Matthies stimmige Kostüme.
Lona Chernel
Der Standard – 04.04.2006
Omnipotente Katze für sämtliche Jugendfragen
Den Weckruf ins kontrastreiche Erzähluniversum besorgen im Märchen schon die Figurennamen: Selbstredend ist Frau Direktor Boshammer (Susanne Altschul) samt Notar Übelmüller (Uwe Achilles) bemüht, alles noch schlimmer zu machen. Im Renaissancetheater ist der Fabrikbesitzerin derzeit eine schräglagige Musicalwelt ausgeliefert. Rebellionswillig hat Archie (Markus Schöttl) sein junges Leben neben den sprachgewandten Kater (Benjamin Eberling) in die Arbeits- und Obdachlosigkeit verpflanzt.
Peter Lunds Adaptionsfreude ist bekannt dafür, klassische Stoffe so an Kinderherzen heranzutragen, dass sie dabei auch an ausgewachsenen Problemen nagen können. In »Der gestiefelte Straßenkater« hat er die emotionale Bandbreite des Erwachsenwerdens zwischen Kapitalismus und Sozialismus gespannt. Unterhaltungsgerecht wird Ideologisches in die anschmiegsamen Songs von Thomas Zaufke gepackt. Als Entlastungsgeschenk dient Ulrike Reinharts Bühnenbild, das den expressionistischen Filmen der 20er-Jahre entlehnt wurde. Auch wenn Kindern ab sechs Jahren ein paar schwierige Fragen auf den Heimweg mitgegeben werden, präsentiert sich eine herzlich lockere und gelungene Uraufführung.
Peter Michl