Sprungnavigation:
  • Don Quijote Don Quijote
 

2003/2004

Don Quijote 11 +

nach Cervantes
für die Bühne bearbeitet von Marcelo Diaz

Stückinfo

Ort: Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3
Zeitraum: 10. Oktober 2003 - 23. Januar 2004
Premiere: 13. Oktober 2003
Regie: Marcelo Diaz

»Klassiker sind Bücher, die, je mehr man sie vom Hörensagen zu kennen glaubt, um so neuer, unerwarteter und unbekannter findet, wenn man sie zum ersten Mal richtig liest.«

Italo Calvino. Warum Klassiker lesen?

Eine Rittergeschichte, entstanden in einer Zeit, als es längst keine Ritter mehr gab.

Don Quijote de la Mancha steht kurz davor, seine allergrößte Torheit zu begehen. Er hat vor, von der Welt Abschied zu nehmen. – Dies sehr zum Leidwesen seiner Mitstreiter, die alle Hebel in Bewegung setzen, den Ritter von der traurigen Gestalt von diesem vermeintlichen Abenteuer abzuhalten. Diesmal wollen sie ihn nicht begleiten. Don Quijote, ein Jedermann? – Ganz im Gegenteil. Denn seit Jahrhunderten gilt die Figur des edlen Ritters, der die anderen dazu bringt, die eigene Wirklichkeit wichtiger zu nehmen als das, was einen vermeintlich umgibt, als das Paradebeispiel des Außenseiters und Sonderlings.

»Wie traurig und arm wäre unser Leben ohne Ideale?! Fast ein Gefängnis.« – »Don Quijote de la Mancha« gilt nicht nur als der erste große Roman der Moderne, es ist gleichzeitig ein Buch aus der Zeit, als das Lesen noch geholfen hat. Denn immerhin sind die Ritterromane, die der Titelheld verschlingt, schuld daran, dass diese Welt mehr Realität besitzt als seine eigene, buchstäblich traurige Gestalt. Eine Kampfansage gegen die »widrigen Windmühlenflügel des Lebens« und ein Plädoyer für mehr Phantasie und ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit. Daneben ist es eine Geschichte aus einer Welt, in der ein kleiner Schritt reicht, um Sein und Schein zum untrennbaren Ganzen werden zu lassen und so eine neue Wahrheit ans Licht zu bringen: Wer mit Don Quijote lachen und fühlen kann, hat einiges begriffen, unter anderem, dass die Kunst darin besteht, ohne Grund unsinnig zu sein.


Ein Auftragswerk für das THEATER DER JUGEND.

Besetzung

Don Quijote von la Mancha Johannes Zeiler
Sancho Pansa Lukas Sartori
Der Student Carrasco Harald Volker Sommer
Der Pfarrer Uwe Achilles
Musiker Imre Bozoki, Metin Meto
Regie Marcelo Diaz
Musik Martin Gantenbein
Bühnenbild und Lichtkonzept Alexander Stierli
Kostüme Bettina Gassmann
Dramaturgie Hannah Steffen
Assistenz und Inspizienz Markus Felkel

Kritiken

Kronen Zeitung – 15.10.2003

Reise eines Phantasten

Die Freiheit, die sie meinen! Cervantes' »Don Quijote« reitet wieder in Wien. Diesmal aber nicht auf einer Musicalbühne, sondern für das Theater der Jugend in der Liliengasse. Marcelo Diaz hat die Abenteuer des Ritters von der traurigen Gestalt adaptiert, inszeniert und eine Verteidigungsrede für Bücher und ihre Phantasie daraus gemacht.

Träume im Fieberwahn in einer Kirchturm-Stube: Dahinsiechend liegt er da, der Held der Unterdrückten und Retter der Gepeinigten, den die Vorliebe der Bücher in die Rolle des Wahnsinnigen gedrängt hat. Ein Pfarrer (Uwe Achilles), der Student Carrasco (Harald Volker Sommer), Sancho Pansa (Lukas Sartori) und zwei Musiker (eigentlich Geräuschkulissenmacher: Imre Bozoki, Metin Meto) ziehen noch einmal mit Don Quijote in die Schlacht gegen Windmühlen, schlüpfen in die Rollen exotischer Schönheiten und versuchen damit, dem sterbenden Körper noch einmal Leben einzuhauchen.

Marcelo Diaz macht das mit einer gewissen Naivität, mischt Traum und Realität, Poesie und pralle Theatralik. Auf Krücken zieht Johannes Zeiler als gar nicht alter Don Quijote durch die Mancha, kämpft gegen Traumgebilde und die Realität, die Bücher verbrennt – und für die Freiheit des Denkens, Lebens, Liebens und Fühlens.

Schepperndes Blech, klappernde Kokosnusshälften, klirrende Ketten und eine Windmaschine begleiten den Phantasten auf der unterhaltsamen letzten Reise für nicht mehr ganz so kleine Kinder.

Thomas Gabler


Kurier – 15.10.2003

Tapfere Fieberträume

Eine Anzugsweste als Kettenhemd, ein Paar Hosenträger als imperialer Ritterschlag und eine Krücke als Schwert - der edle Don Quijote zieht wieder in den Kampf. Für das Theater der Jugend hat Regisseur Marcelo Diaz den Mythos des »Ritters von der traurigen Gestalt« für die Bühne adaptiert und dabei den berühmten Roman von Cervantes in einen neuen Kontext gestellt: Die Abenteuer des »Don Quijote« als Fiebertraum eines Sterbenden.

Es gibt keine Windmühlen, keine Pferde und auch keine Dulcinea auf der von Ausstatter und Lichtdesigner Alexander Stierli sehr angeräumten Bühne des Theaters im Zentrum. Ein Krankenbett, eine Treppe, Tonnen, Kisten, Gläser – in diesem Ambiente siecht Don Quijote (Johannes Zeiler) dahin. An seiner Seite Freund Sancho (Lukas Sartori), der Student Carrasco (Harald Volker Sommer) und ein Pfarrer (Uwe Achilles), der letztlich alle Ritter-Romane verbrennt. Dazu zwei Musiker (Imre Bozoki, Metin Meto), die auf ihren Instrumenten und auf den sonderbarsten Gegenständen einen illustrativen Sound erzeugen.

Sehr ruhig, fast elegisch erzählt Regisseur Marcelo Diaz einzelne Episoden aus Quijotes Leben; die Mitspieler teilen sich alle Rollen auf. Was auch immer der Fiebernde gerade zu erleben glaubt – schnelle Reaktionen sind gefragt. Ein interpretatorischer Ansatz, der viel Situationskomik aber auch Längen garantiert. Nicht jede von Diaz intendierte Pointe trifft; der ständige Wechsel der Realitäten und Ebenen verlangt Konzentration. Dennoch pendelt die Inszenierung sehr souverän zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Slapstick und Melancholie. Eine Gratwanderung, die auch dank des engagierten Ensembles für Lacher und für Rührung sorgt.

Peter Jarolin


Wiener Zeitung – 15.10.2003

Narr allein ist zu wenig

Warum ist jemand ein Tagträumer? Meist, weil er einfach die raue Wirklichkeit nicht erträgt. Er baut eine Scheinwelt auf um sich – und manchmal auch andere – glücklich zu machen. »Soll er doch was leisten«, werden die Realisten sagen, »soll er doch auch für andere etwas tun.« Er tut es: Der Träumer hat eine Funktion in der Gesellschaft. Er öffnet Türen, macht Blickwinkel frei, oftmals stellt er in den Mittelpunkt, was sonst am Rande dahinvegetiert und gibt manchmal Erniedrigten, was jedem Menschen zusteht: Beachtung, Respekt, Liebe. (So Don Quijote bei Dulcinea.)

Don Quijote ist krank, er gibt auf, seine Freunde versuchen ihn in die Traumwelt zurückzuführen, was allerdings nicht zum gewünschten Ziel führt. Sie haben Musiker engagiert um die Illusion perfekt zu machen. Und hier liegt auch die Stärke der Inszenierung von Marcelo Diaz: Mit Musikinstrumenten und zu solchen umfunktionierten Gegenständen wird Atmosphäre erzeugt, da scheint das Ganze stimmig, ja poetisch.

Stimmig ist auch das Bühnenbild (Alexander Stierli), stimmig ist die Musik (Martin Gantenbein), sind die Kostüme (Bettina Gassmann). Sehr gut ist das Schauspieler- und Musikersextett: Uwe Achilles, Imre Bozoki, Metin Meto, Lukas Sartori (ein berührender Sancho Pansa), Harald Volker Sommer, Johannes Zeiler (ein temperamentvoller Don Quijote, dem man allerdings die »Seele« der berühmten Figur vorenthalten hat).

Eine gepflegte, gekonnte Aufführung, die aber einiges zu wünschen übrig lässt

Lona Chernel