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2022/2023

Moby Dick 11 +

nach Herman Melville
von Michael Schachermaier

Stückinfo

Ort: Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3
Zeitraum: 22. April 2023 - 16. Juni 2023
Premiere: 25. April 2023
Dauer: 02:00 inkl. Pause
Regie: Michael Schachermaier

»Man kann den Ozean nicht überqueren, solange man nicht den Mut hat, das Ufer aus den Augen zu verlieren.«

Christopher Columbus

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Kapitän Ahab und seinem tierischen Widersacher: dem weißen Wal?
Erzählt wird dieser Klassiker der Weltliteratur aus der Perspektive des gutgläubigen Schiffsjungen Ismael, der als Walfänger anheuert um das langweilige Leben auf dem Land gegen die abenteuerliche Welt auf Hoher See einzutauschen. Schnell muss er jedoch erkennen, dass die Walfängerei alles andere als ein Traumjob ist. Vor allem, wenn man unter der Flagge eines von Rachegedanken zerfressenen Wahnsinnigen segelt. Der Besatzung der »Pequod«, dem literarischen Mikrokosmos Melvilles, fällt es zunehmend schwerer zu entscheiden, wer hier eigentlich das Monstrum ist: der weiße Wal oder der eigene Kapitän, der in grenzenloser Hybris gegenüber der Natur nur einen Gedanken kennt: Moby Dick zur Strecke zu bringen – koste es, was es wolle.
Auch wenn Melvilles Roman heute zu den absoluten Klassikern der Weltliteratur gehört, erfreute sich die mythisch überhöhte Erzählung des Zweikampfes zwischen Kapitän Ahab und Moby Dick bei seinen Zeitgenossen nur mäßiger Beliebtheit. Lediglich 3.000 Exemplare des heutigen Weltbestsellers wurden zu Lebzeiten des Autors verkauft. Zu fremdartig erschien Melvilles 1851 erschienenes Meisterwerk sowohl Leser*innen als auch der Literaturkritik. Auf über 900 Seiten bricht Melville immer wieder mit Erzählform und -perspektive, fügt ausufernde wissenschaftliche, philosophische und religiöse Exkurse ein oder bedient sich in langen dialogischen Passagen theatraler Stilmittel, wie der in Theatertexten üblichen Regieanweisung.


Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien

Besetzung

Ismael Jonas Graber
Ahab / Mr. Peleg, ein Reeder Mathias Kopetzki
Quiqueg Wolfgang Seidenberg
Starbuck / Mr. Bildad, ein Reeder Frank Engelhardt
Stubb / Wirt im Gasthaus zum Walfisch Uwe Achilles
Flask / Elias der Prophet Lukas David Schmidt
Live-Musikerin Mary Broadcast
Regie Michael Schachermaier
Ausstattung Regina Rösing
Licht Lukas Kaltenbäck
Musik Mary Broadcast
Dramaturgie Sebastian von Lagiewski
Assistenz und Inspizienz Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz Denise Sanna

Kritiken

Wiener Zeitung – 25.04.2023

Am Ende gewinnt der Wal

Wer Herman Melvilles "Moby Dick" fürs Theater inszeniert, steht vor einem im wahrsten Sinn des Wortes schwergewichtigen Problem: Wie bringt man eine Geschichte über einen Wal auf die Bühne, wenn man keinen Wal zeigen kann? Insbesondere Michael Schachermaiers aktuelle Inszenierung für das Theater der Jugend macht allerdings deutlich: Es geht eigentlich in erster Linie gar nicht so sehr um den weißen Wal, von dem Kapitän Ahab so besessen ist, dass ihn sein Hass ins Verderben führt, sondern es geht darum, wie ein halbes Dutzend Männer darauf wartet, auf den weißen Wal zu treffen. Und darum, was sich zwischen diesen sechs Männern abspielt.

Und damit steht, wer das Stück für Kinder beziehungsweise Jugendliche inszeniert, vor dem nächsten Problem: Melvilles Romanvorlage ist per se schon zäh wie das Fleisch von der Flukenspitze, das Ahab nach jeder erfolgreichen Waljagd serviert wird, und so bitter wie Lebertran. Also im Grunde sehr schwere Kost. Regisseur Schachermaier, Dramaturg Sebastian von Lagiewski und ihr Ensemble verdienen deshalb besondere Hochachtung für das, was sie aus der Geschichte herausholen. In einer sehr naturalistischen und düsteren Darstellung in einer liebevoll gestalteten, detailreichen Schiffskulisse (Ausstattung: Regina Rösing) machen sie das raue und brutale Leben der Walfänger auf hoher See höchst anschaulich.

Zartes Seelchen auf rauer See

Zwischen dem rachsüchtigen Despoten Ahab (Mathias Kopetzki), der Gott spielt an Bord seines Schiffes, und dem furchterregenden und doch sanften Riesen Quiqueg (Wolfgang Seidenberg) findet sich das zarte Seelchen Ismael (Jonas Graber) zwischen einer Mannschaft (Frank Engelhardt, Uwe Achilles, Lukas David Schmidt) wieder, die mit der Landratte nicht eben zimperlich umgeht.

Mary Broadcast sorgt im Hintergrund für den passenden Soundtrack, wenn der Sturmwind die Segel zerzaust, die Gischt über die Reling peitscht und der Mast bricht - und wenn die Besatzung aufbegehrt gegen ihren Kapitän, der seine persönliche Rache über alles andere stellt und sie alle mit in den Untergang reißt. Ja, auch im Theater der Jugend geht "Moby Dick" nicht gut aus für Ahab, und am Ende gewinnt der Wal. Das mag im Jahr 2023, wo wir uns um die Bestände der Meeressäuger große Sorgen machen müssen, manche sogar freuen. Trotzdem leidet man mit Ismael und der untergehenden Mannschaft der "Pequod" mit.


Mathias Ziegler


Online Merker – 26.04.2023

WIEN / Theater der Jugend: MOBY DICK

WIEN / Theater der Jugend / Theater im Zentrum:  MOBY DICK nach Herman Melville von Michael Schachermaier Premiere: 25. April 2023 

„Call me Ishmael“ – Nennt mich Ismael, ist einer der berühmtesten Anfangssätze der Weltliteratur, und das Buch, das folgt, kann sich auch hoher Popularität erfreuen: „Moby Dick“ von Herman Melville aus dem Jahre 1850, Abenteuergeschichte, fesselnde Charakterporträts, vor allem aber ein elementares Gleichnis – ebenso für menschliche Paranoia wie für die ewige Auseinandersetzung Mensch und Natur, ein Kampf, der (wie wir gerade heute wieder wissen) stets von neuem ausgetragen wird.

Wer den Roman nicht kennt, hat wahrscheinlich irgendwann einmal John Hustons kongeniale Verfilmung von 1956 mit Gregory Peck als Kapitän Ahab gesehen, immerhin ein Klassiker der Filmgeschichte. Darum erschien es etwas fraglich, wie man dieses Werk – zumal vieler Action-Szenen wegen – auf die Bühne bringen könnte. Nun Michael Schachermaier, der schon manch einen Romanklassiker dramatisiert hat, ist das wieder einmal eindrucksvoll gelungen, gleicherweise dramaturgisch wie inszenatorisch.

Zuerst hat der die personenreiche Geschichte geschickt zusammen gestrichen, sonst käme er nicht mit sechs Schauspielern (von denen einige mehrere Rollen übernehmen) (...). Indem die Handlung gerade an  Ismael entlang erzählt wird, behält sie immer ihre Übersichtlichkeit, wenn auch im zweiten Teil dann Ahab und sein Wahn, den Weißen Wal töten zu müssen (ein Racheakt, den er auf die Ebene des elementaren Kampfes von Gut gegen Böse erheben will) in den Mittelpunkt rückt.

Von der großen Besatzung der „Pequod“ treten nur der charakterstarke erste Steuermann, Starbuck und der exotische, geheimnisvolle Harpunier Quiqueg in den Vordergrund, Stubb und Flask stehen für den Rest der von Ahab bis  zum letzten geschundenen Besatzung. So kann die  Geschichte in der ebenso praktischen wie stimmigen Ausstattung von Regina Rösing in zwei Stunden schnell und dramatisch voran getrieben werden, die Brutalität des Walfangs vermitteln (ohne besonders zu moralisieren) und den Wahn eines Einzelnen, der rücksichtslos alle mit sich reißt, ausreichend charakterisieren. Schöne Details des Buches (etwa dass Ismael, der einzige Überlebende, auf dem Sargdeckel gerettet wird, den Quiqueg für sich herstellen ließ) fallen dabei natürlich aus, aber man bekommt einen sehr guten, keinesfalls oberflächlichen Abriß des Romans geboten.

Und Michael Schachermaier als Regisseur ist mit meisterhafter Logistik dabei, auf der Bühne des Theaters im Zentrum tatsächlich die Atmosphäre des Schiffes zu beschwören, die Dramatik von Jagd, Kampf  und schließlich Untergang auch mit Hilfe von Geräusche-Dramaturgie, Musik und Licht dicht zu vermitteln.

Wunderbar Jonas Graber als der junge Ismael, einer, der als Unschuldslamm antritt und am Ende die Hölle erlebt hat, und das in ganz schlichter Attitüde.

Mathias Kopetzki wäre von der Optik her eher ein Fürst Dracula, aber er gibt Ahab die richtige Härte und Besessenheit. Sehr stark ist Frank Engelhardt als Starbuck, der mit Zivilcourage viel riskiert, als er sich Ahab entgegen stellt, und der Quiqueg des Wolfgang Seidenberg ist zwar nicht wirklich dämonisch, aber sehr ergreifend, als er sein Schicksal offenbart. Uwe Achilles und Lukas David Schmidt ergänzen kongenial, Mary Broadcast singt zur Gitarre.

Selbst die von Videospielen abgebrühtesten Schüler ab 11 Jahren, die hier angesprochen werden, müssen von der Live-Dramatik des Abends hingerissen sein. Bei der Premiere waren sie es jedenfalls.

Renate Wagner


Der Standard – 26.04.2023

"Moby Dick" wird im Theater der Jugend zur Mission eines Besessenen

Regisseur Michael Schachermaier zeichnet Herman Melvilles Romanhelden als ein Exempel toxischer Männlichkeit

Ein Pottwal namens Moby Dick hat den Seefahrer Ahab einst "entmastet". In der Folge widmet der geschlagene Mann aus Herman Melvilles 900-Seiten-Roman (1851) sein restliches Leben der entsprechenden Rache. Um alles in der Welt will der Kapitän das Tier in den Weltmeeren aufspüren und töten. Diesem Topos männlichen Siegeswahns, gepaart mit Weltbeherrschungsfantasien und Todesmut, formuliert Regisseur Michael Schachermaier im Theater der Jugend (Spielort: Theater im Zentrum) als Kritik an toxischer Männlichkeit. Ist Ahab doch das Paradebeispiel eines ohne Rücksicht auf Verluste besessenen, alten weißen Mannes.

Er hetzt seine Leute über den Ozean, untersagt ihnen den Brotjob des Walfangs, raubt der Mannschaft mit nächtlichen Spaziergängen den Schlaf, duldet keine Widerrede. Er imaginiert sich selbst gar in einer gottgleichen Rolle, die die Besatzung auch widerwillig mitkultiviert. Moby Dick wirft also – analog zu heutigen Führungsdebatten – die Frage auf, warum eine Vielzahl vernunftbegabter Menschen einem Wahnsinnigen Folge leistet.

Intensive Akustik

In einem Bühnenbild von Regina Rösing, das die Rauheit eines Schiffsdecks zwischen Jack-Sparrow- und Captain-Hook-Atmosphäre ansiedelt, hängen die Matrosen in Strickleitern oder schöpfen stinkendes Walfett. Auf sie alle blickt als Erzählfigur und zugleich mittendrin der Schiffsnovize Ismael (Jonas Graber), der in einer Zweistundenfassung vom Horrortrip berichtet.

(...) Die Aufführung setzt vorwiegend auf intensive Akustik (Donner, Walgesänge, Knochenknacken, Schrittecho), die mit Mary Broadcast auch eine weibliche Gesangsstimme an Bord hat. 

Margarete Affenzeller


Kronen Zeitung – 28.04.2023

"Die Welt des Wals" im Spiegel des eigenen Seins sehen lernen

Regisseur Michael Schachermaier und Dramaturg Sebastian von Lagiewski haben die Herausforderung gemeistert, das epische Monumentalwerk "Moby Dick" von Herman Melville - in einer zusammenhängenden Dramatik-gekonnt auf die Bühne des Theaters im Zentrum zu bringen. Von Anfang an macht Schachermaier klar:

Heute Abend gibt es nicht viel zu lachen, denn heute halte ich euch einen Spiegel entgegen, auf dem ihr den Kern eures Seins sehen sollt. Beeindruckend die schauspielerischen Leistungen des gesamten Ensembles, das sich in den zahlreichen Regieideen zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügte.

Florian Krenstetter


Falter – 03.05.2023

Wer den Wal hat, hat die Qual

Eigentlich muss man sagen: Die Qual hat, wer den Wal noch nicht hat. Das gilt jedenfalls für den berüchtigten Kapitän Ahab aus Herman Melvilles Abenteuerroman "Moby Dick", aber auch für die gesamte Crew auf dem Walfänger Pequod. Gegen jede Vernunft hat Ahab sich in der Jagd auf seine Nemesis, den weißen Wal Moby Dick, verbissen. Erzählt wird das – im Buch wie in der Theaterfassung des Regisseurs Michael Schachermaier für ein Publikum ab elf Jahren – aus der Sicht Ismaels.

Diesen gibt hier Jonas Graber als äußerst aufgeregtes Kind mit leuchtenden Augen, dessen Enthusiamus freilich bald einen Dämpfer bekommt. Der Rest der Besatzung, äh: Besetzung, gleicht die Übertreibung gut aus.

Insgesamt ist Schachermaier eine runde Inszenierung gelungen. Statt zu versuchen, den Wälzer in zwei Stunden nachzuerzählen, schafft er Atmosphäre, wenn Ismael dem liebevollen Riesen Quiqueg begegnet (der hier nichts sagt, nur seinen Namen), an Bord die Furcht vor Ahab regiert oder Ismael einen Schädel ausweiden muss. Auch für Philosophisches und drastische Schilderungen der Walverarbeitung (nichts für Vegetarier!) ist Zeit. Als einzige Frau auf der Bühne gibt die Live-Musikerin Mary Broadcast Walgesänge und auch durchaus menschliche Songs zu Besten.

Martin Pesl


KIJUKU.at - Kinder, Jugend, Kultur und Mehr... – 03.05.2023

Blindwütige Rache führt in den (nicht nur) eigenen Untergang

„Moby Dick“ mit Live-Musikerin im kleineren Haus des Wiener Theaters der Jugend – bis Mitte Juni 2023.

Düster, finster, eine Art schwimmendes Gefängnis – das ist das Walfangschiff aus dem Roman „Moby Dick“, geschrieben von Herman Melville vor mehr als 130 Jahren. Damals – und bis vor ein paar Jahrzehnten – war Walfang einerseits üblich und andererseits nicht nur wegen des Fleisches für vieles gut – unter anderem wurde das Fett für Öllampen verwendet, bevor es elektrisches Licht gab. Zu Melvilles Zeiten war Walfang noch lange nicht derart industrialisiert, dass schwimmende Fabriken die Bestände der intelligenten Meeres-Säuger fast in ihrer gesamten Existenz bedrohten.

In dem Roman, der nun in einer sehr verdichteten und vom Personal stark reduzierten und damit von Läääängen befreiten spannenden Version im kleineren Haus des Theaters der Jugend in Wien, im Theater im Zentrum, zu erleben ist, schwingt natürlich längst mit, dass Wale und die Jagd auf sie, heute eine ganz andere Bedeutung haben. Seit einigen Jahrzehnten geht es um den Schutz dieser Tiere, die vor allem viele Kinder und Jugendliche lieben, wenngleich nicht unbedingt einen Pottwal, um den es sich bei dem weißen Exemplar namens Moby Dick handelt.

Nennt mich Ismael

Melvilles umfangreiche Geschichte mit vielen Nebensträngen und allgemeinen Betrachtungen über dies und das – immerhin im Original um die 1000 Seiten – dreht sich auch weniger um den Wal selbst, als um A) den Kampf von Mensch gegen Natur und B) das noch viel mehr, die Besessenheit des diktatorischen Kapitäns Ahab, genau diesen Wal zu fangen und zu töten. Der hat ihm – so seine Erzählung – ein Bein abgebissen. Soweit die Ausgangssituation.

Entsprechend dem – nicht in allen (übersetzten) Versionen bekannten Satz „Call me Ishmael.“/ Nenn(t) mich Ismael, lässt Regisseur Michael Schachermaier das Stück aus der Sicht des neu angeheuerten Matrosen erzählen, den Jonas Graber spielt und auch als den schüchternen Newcomer anlegt.

Wortkarg

In einem Art Vorspiel bevor’s aufs Schiff geht, das aber schon von Anfang an auf der rohen Bühne mit Strickleitern und milchig/verschmutzten Folien auszumachen ist (Ausstattung: Regina Rösing) landet Ismael, der Schiffsjunge werden will in einer Art Hafenspelunke, dem „Gasthaus zum Walfisch“, wo er auch – nach anfänglicher Ablehnung – doch übernachten kann und auf den späteren Kollegen an Bord, Quiqueg (Wolfgang Seidenberger) trifft. Vor dem er sich maßlos fürchtet, spricht der doch praktisch kein Wort – außer jenem, das zu seinem Namen geworden ist. Was er zu erzählen hat, ist bildlich als Tattoos auf seinem Körper zu lesen. Und trotz seiner extremen Wortkargheit lässt er durchblicken, dass er vielleicht mehr sprechen könnte, wenn er wollte. Und er strahlt den Willen zur Freundschaft aus, was Ismael bald erkennt.

Starbuck vs. Ahab

Wirt und Gäste, sowie Reeder (Eigentümer von Schiffen) werden von späteren Matrosen bzw. dem Kapitän gespielt – wo sie unterschiedliche Rollen einnehmen: Lukas David Schmidt als teils fast artistischer Matrose Flask, Uwe Achilles als zweiter Steuermann sowie Frank Engelhardt als Starbuck. Dieser ist erster Steuermann und der verantwortungsvolle Leader. Als solcher kommt er immer wieder in Widerspruch zu Kapitän Ahab (Mathias Kopetzki). Das tun auch die anderen Matrosen, doch Starbuck traut sich auch Konter zu geben, vor Gefahren zu warnen. Oder zur Sprache zu bringen, was die Mannschaft ärgert: So viele Wale lassen sie ungejagt vorbeischwimmen, nur um Ahabs Rachelust zu verfolgen. Mit der Angst vor der Gefahr, dabei selber draufzugehen.

Toxische Rachsucht

Dieses – heute würde es wohl als toxisch bezeichnet – männlich-herrschaftliche: „Ich will genau diesen Wal und ihn töten!“ hat schon Melville aufs Korn genommen, umso mehr ist es heute ein überholtes, fast anachronistisches, wenngleich noch immer anzutreffendes Verhaltensmuster. Samt den Folgen nicht nur für den Besessenen, sondern die ganze Crew am (Raum-)Schiff (Erde) – denn als Metapher für das Zugrunderichten der Menschheit durch Vernichtung der Natur kann „Moby Dick“ wohl auch gelesen werden. Wobei der Autor wohl nicht zufällig das Schiff, auf dem sich alles abspielt, „Pequod“ genannt hat – nach einem indigenen Volk auf dem nordamerikanischen Kontinent (heutiger US-Bundesstaat Conecticut), das von den englischen Eroberern weitgehend getötet wurde.

Musikalische Gegenwelt

Als Gegenstück zu diesem patriarchalen Herrscher – und irgendwie auch Unterstützung für den zart besaiteten Ismael – tritt immer wieder als Live-Musikerin, anfangs mit Ukulele, später mit E-Gitarre Mary Broadcast (Mary Lamaro), Bandleaderin der gleichnamigen Pop-Rock-Formation, auf – manchmal am Rand des Geschehens, dann wieder fast als Geist, die durch die Szenerie wandelt, in anderen Momenten mittendrin. Als Gegenwelt, als Hoffnungsschimmer. Und das entspricht dem für diese Saison ausgegebenen Motto des Theaters der Jugend: „Don’t give up!“ Wenngleich der Sieg des Wals auch den Untergang sozusagen von Mann und Maus bedeutet, auch jener, die nicht auf Ahabs Seite stehen. Nur Ismael kann sich retten – sonst hätte ja auch niemand die Geschichte erzählen können 

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kijuku.at/buehne/blindwuetige-rache-fuehrt-in-den-nicht-nur-eigenen-untergang/

Heinz Wagner


Materialien

Unsere theaterpädagogischen Materialien zu »Moby Dick« bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf fantasievolle Weise vor- und nachbereiten.

Klicken Sie hier://www.tdj.at/fileadmin/tdj/Theaterpaedagogik_Input/Input_TdJ_Moby_Dick.pdf um die Materialien herunterzuladen.

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