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  • Frau Zucker will die Weltherrschaft Frau Zucker will die Weltherrschaft
 

2022/2023

Frau Zucker will die Weltherrschaft 6 +

von Wolfgang Böhmer (Musik)
und Peter Lund (Text) 

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 14. Februar 2023 - 06. März 2023
Premiere: 16. Februar 2023
Dauer: 02:10 inkl. Pause
Regie: Peter Lund

»Falls du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, dann versuche mal zu schlafen, wenn eine Mücke im Raum ist.«

Dalai Lama

Erst vor drei Tagen mit ihren Eltern in die neue Wohnung gezogen, sieht die kleine Margarethe, genannt Meggi, sich und ihre neuen Freund*innen Tinchen und Johannes schon vor existenzielle Probleme gestellt. Dabei ist der kindliche Alltag doch schon schwierig genug! Immer muss man sich mit Erwachsenen herumärgern, die entweder zu wenig Zeit für einen haben, ständig nur schimpfen, oder, wie Tinchens Mutter, gleich ganz in der Depression versinken. Nun kommt auch noch ein mörderisches Komplott hinzu, dem sich Meggi mit ihrer gesamten Kraft entgegenstellt.
Dass diese schier unerschöpflich ist, hat leider auch Frau Dr. Giftig erkannt. Gemeinsam mit der vermeintlich kinderlieben Nachbarin Frau Zucker und Herrn Braasch, einem Vertreter für Süßwaren, verfolgt sie einen teuflischen Plan. Mit einer heimtückischen Maschine entziehen sie den Kindern der Nachbarschaft die gesamte kindliche Energie, bis aus den quirlig-munteren Buben und Mädchen langweilig-phantasielose, resignierte Erwachsene geworden sind. Der so gewonnene Strom, immerhin das Äquivalent von vierhundert Millionen Tonnen Rohöl, wird anschließend in das öffentliche Stromnetz eingespeist, bis die Leitungen nur so glühen. Getarnt als ökologisch-ökonomische Staatsraison kennt das gemeingefährliche Trio dabei doch eigentlich nur eine Motivation: den Hass auf Kinder.
Zu dumm nur, wenn einem niemand glaubt, weil man es mit der Wahrheit bisher nicht allzu genau genommen hat. Zum Glück ist Meggi jedoch nicht gänzlich auf sich allein gestellt. Ausgerechnet der unliebsame Babysitter Pauli, mit dem sie sonst nichts als Ärger hat, erweist sich als unerwarteter Verbündeter in der Not. Sein Hang, auch die absurdesten Verschwörungstheorien für bare Münze zu nehmen, erweist sich ausnahmsweise als Segen: denn diese Verschwörung ist zur Abwechslung mal kein Hirngespinst.

Aufführungsrechte: Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin

Besetzung

Meg Ursula Anna Baumgartner
Tessa, Megs Mama Kathrin Hanak
Stefan, Megs Papa Frank Engelhardt
Pauli, Megs Babysitter Simon Stockinger
Tinchen, Megs neue Freundin Beate Korntner
Hansi, Tinchens Freund Markus Störk
Frau Reschke, Tinchens Mama Martina Dorothea Sommersguter
Frau Zucker Isabel Weicken
Herr Braasch Uwe Achilles
Frau Doktor Giftig Nadine Aßmann
Swing weiblich Nina Tatzber
Regie Peter Lund
Ausstattung Daria Kornysheva
Licht Daria Kornysheva und Peter Lund
Leitung Orchesteraufnahme Gerald Schuller
Musikalische Einstudierung Ursula Wögerer
Sounddesign Béla Fischer
Choreographie Nina Tatzber
Dramaturgie Britta Kampert
Regieassistenz und Inspizienz Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz Denise Sanna

Kritiken

Die Presse – 21.02.2023

Theater, in dem Kindern Energie abgesaugt wird

Theater der Jugend: Das Musical "Frau Zucker will die Weltherrschaft" im Renaissancetheater.

Kinder haben zu viel Energie. Was Eltern täglich einiges an Nerven kosten kann, sieht Frau Zucker als einen Weg, um Millionen zu verdienen. Saugt man nämlich den Kindern die Energie ab, kann man so viel Strom gewinnen wie aus 400 Millionen Tonnen Rohöl. Diese abstruse Idee steht am Beginn von "Frau Zucker will die Weltherrschaft", einem Musical von Peter Lund, das, 2011 in Berlin uraufgeführt, nun im Renaissancetheater seine österreichische Erstaufführung hatte.

So skurril die Geschichte klingt, die Figuren wirken in ihren Emotionen und Gesten authentisch. Das Stück ist handwerklich gut gemacht und behandelt bei allem Science-Fiction-Touch - so werden die Kinder in einer umgebauten Duschkabine in Erwachsene verwandelt, während ihre Energie ab gesaugt wird - menschlich berührende Themen: Eine Mutter mit Depressionen soll ins Heim abgeschoben werden, ihre Tochter muss unter dieser Belastung zu rasch erwachsen werden. Ein Bub singt einsam davon, dass es "Kinder gibt, die vergessen werden". Und der Hauptfigur Meggie (gekonnt kindlich: Ursula Anna Baumgartner) will niemand glauben, was sie beobachtet hat. Ihre Eltern fragen sich nur, wer an den vermeintlichen Halluzinationen der Tochter schuld ist - und ob sie ihr Pillen geben sollen, deren Nebenwirkungen sie nicht einschätzen können.

Samba auf dem Weg ins Pflegeheim

Viele dieser ernsten Themen werden in flotten Songs satirisch überhöht. So werden fröhliche Samba-Rhythmen angestimmt, da es doch "für alle das Beste" sei, wenn die geistig umnachtete Mutter in Richtung Pflegeheim tanzt. Und das Loblied auf "zwei kleine Tabletten", also Psychopharmaka, kommt wie ein harmloses Kinderlied daher. Anspielungen auf "Hänsel und Gretel" gibt es ebenso wie auf James Bond; Babysitter Paul (sehr präzise: Simon Stockinger) gibt Meggie Tipps zum Umgang mit Verschwörungen. 

Die Musik von Wolfgang Böhmer ist so eingängig wie abwechslungsreich. Auch das unterstützt eine Qualität, die gutes Kindertheater ausmacht: Man kann die Themen in ihrer Tiefe wahrnehmen, man kann aber auch einfach Spaß am Spiel haben. Etwa wenn ein zum Erwachsenen gewordenes Kind rückfällig wird und "Ich will zu meiner Mama" schreit. Oder wenn Meggie sich wie eine Nachrichtensprecherin an die Zuschauer wendet und ihre Situation kommentiert. Kurz: ein heutiges Märchen, das gerade durch die Überzeichnung umso bedrückender wirkt und gleichzeitig unterhält.

Theresa Steininger


Wiener Zeitung – 17.02.2023

Allein gegen die Energiemafia

Das Theater der Jugend verhandelt in "Frau Zucker will die Weltherrschaft" das Thema Kindsein und Erwachsenwerden.

"Frau Zucker will die Weltherrschaft" - nein, die neueste Musical-Produktion des Theaters der Jugend dreht sich nicht um gesunde Ernährung. Denn Frau Zucker heißt zwar so und macht auch auf süß gegenüber den Nachbarkindern, die sie zu sich einlädt und mit Essen verwöhnt, aber in Wahrheit hasst sie Kinder und saugt ihnen für ihre Auftraggeberin, Frau Doktor Giftig, gemeinsam mit ihrem Helfer, Herrn Braasch, die Lebensenergie aus. Weil nämlich ein Kind so viel Energie hat, wie man Strom aus 400 Millionen Tonnen Rohöl erzeugen könnte. Wenn das kein handfestes Verbrechensmotiv ist.

Aber nein, es ist auch kein Lehrstück über die Energiewende, den Klimawandel oder Nachhaltigkeit. Sondern es geht um ein viel banaleres, aber auch basaleres Thema: ums Kindsein. Im Grunde ist es ein Appell, Kinder einfach Kinder sein und auch einmal herumtoben zu lassen; ihnen nicht ihre Fantasie zu zerstören. Und es geht auch darum, dass man Kinder ernst nehmen sollte. Denn die neunjährige Margarethe, genannt Meg, durchschaut sehr bald die Machenschaften von Frau Zucker, Herrn Braasch und Frau Doktor Giftig - aber ihre Eltern wollen das nicht wahrhaben und glauben lieber den Erwachsenen als dem eigenen Kind. Und selbst Megs halbwüchsiger Babysitter Pauli, mit dem sie sich erst zusammenraufen muss, ist letztlich keine allzu große Hilfe dabei, der Energiemafia (Zitat Pauli) das Handwerk zu legen.

Fein herausgearbeitete Charaktere

Autor und Regisseur Peter Lund verhandelt in seinem Musical auch noch weitere, durchaus schwierige Themen: Depression, häusliche Gewalt, überforderte Eltern und vereinsamte Kinder.  (...) Komponist Wolfgang Böhmer demonstriert währenddessen eindrucksvoll, welche Macht und Kraft Musik auf der Bühne entfalten kann, wenn sie richtig eingesetzt wird. (...) Auf der Bühne des Renaissance-Theaters wird jedenfalls viel gesungen und getanzt - und auch ein bisschen gelacht. Wirklich zu lachen haben hier allerdings über weite Strecken nur die Bösen. Isabel Weicken gibt eine herrlich hinterlistige Frau Zucker, Nadine Aßmann macht als Frau Doktor Giftig ihrem Namen alle Ehre, während Ursula Anna Baumgartner als Meg die Verzweiflung aus jeder Pore herausschießt. Fein herausgearbeitete Charaktere krachen hier aufeinander (...)

Mathias Ziegler


KIJUKU - Kinder, Jugend, Kultur und Mehr... – 18.02.2023

Wenn niemand dem wachen, energiegeladenen Mädchen glaubt…

Sehr schwungvolles Musical sehr frei nach „Hänsel & Gretel“ um Kinder, Energie und ignorante Erwachsene im Theater der Jugend in Wien.

Schwungvoll Rad schlagend entert Ursula Anna Baumgartner als Meg die Bühne. Der erste Auftritt, eher -sprung kraftvoll, energie-geladen. Und die hält sie die knapp mehr als zwei Stunden (eine Pause) auch durch. Und damit DEN Kern der Geschichte, der sich um Energie dreht.

Mit ebenso viel Power beginnt sie die arge Geschichte zu erzählen – im Schnellst-Sprech beginnt sie dem Publikum zu erzählen. „Mit wem redest du da?!“, schimpft die Mutter. Zweites Kernproblem angesprochen: Selbst die eigenen Eltern glauben der Tochter nicht, wenn sie ihr überhaupt zuhören.

Die Grundstory

Die böse Frau Zucker (sehr lustvoll gespielt von Isabel Weiken) hasst Kinder, „kocht“ sie aber mit Süßspeisen ein, so dass vernachlässigte Kinder gern diese Nachbarin aufsuchen. Und diese Person hat DIE Idee schlechthin, ein großes Problem der Welt(wirtschaft) zu lösen: Energie. Beides verbindet sie: Kinder haben – vielen Erwachsenen zufolge – zu viel davon. Die Welt(wirtschaft) zu wenig.

Die Kinderhasserin hat in Frau Dr. Giftig jene Wissenschafterin gefunden, die das Problem löst: In einer Art Duschkabine wird Kindern Energie abgesaugt. Dabei sterben diese nicht, sie werden „nur“ zu antriebs- und empathielosen Erwachsenen. So weit der Kern der Story – sehr frei nach „Hänsel und Gretel“ der Gebrüder Grimm – des 2011 in Berlin uraufgeführten Musicals, das nun im großen Haus des Wiener Theaters der Jugend seine vielumjubelte Österreich-Premiere feierte, aktuell angefeuert durch die seit einem Jahr massive Energie(preis)-Krise.

Einzige Seherin

Meg – von Margarete, sprich Gretel – leidet nicht nur daran, dass sie alles sieht, erkennt und ihr die Eltern (sehr glaubhaft Kathrin Hanak und Frank Engelhardt) nicht glauben. Selbst die anderen Kinder – Hansi (wunderbar tollpatschig und ignorant gespielt von Markus Törk) und Tinchen, die erstes Opfer der Verwandlung wird (sowohl als Kind als auch dann als Erwachsene: Beate Korntner) – scheinen nicht mitzukriegen, was da abläuft. Meg sozusagen als eine Art Kassandra (dazu übrigens eine wunderbare Inszenierung von Christa Wolfs Text im nahegelegenen Volkstheater/Dunkelkammer). Oder sie wollen’s nicht wahrhaben, ist Frau Zucker doch viel liebevoller zu ihm als er’s von seinem schlagenden Elternhaus gewohnt ist.

Weil sie niemand mitspielen ließ

Im weiteren Verlauf der Geschichte stellt sich heraus, dass Tinchen nicht wirklich das erste Opfer ist, schon davor wurde aus Kevin Zuckers und Doktorin Giftigs Helfer Herr Braasch (Uwe Achilles), der hin und wieder auch in seine Kinderrolle zurückfindet – vor allem als es Meg gelingt, die Tabletten, die fürs Vergessen zuständig sind, gegen einfache Zuckerln auszutauschen. Die Wissenschafterin Giftig, die ihren eigenen Hass auf Kinder damit speist, dass sie als hochbegabte Zehnjährige nie mitspielen durfte, wird übrigens gekonnt bitterböse von jener Nadine Aßmann gespielt, die sie schon vor mehr als zwölf Jahren die zu schnell erwachsen Gewordene verkörpert hatte.

Bleiben noch zu nennen: Martina Dorothea Sommersguter als Darstellerin der schlappen, überforderten, depressiven Mutter von Tinchen sowie Simon Stockinger als Pauli, „Babysitter“ von Meg, der als einziger ansatzweise an deren Geschichte glaubt, auch wenn er sie bei der Begrüßung stets despektierlich „Kröte“ nennt und sie ihm eher lästig zu sein scheint. Und der eine affärenartige Szene mit Megs Mutter Tessa kriegt – die vor allem fürs erwachsene Publikum gedacht ist. Aber wie alle Figuren – außer den Gegenspielerinnen Meg und Zucker – erlebt auch er eine Entwicklung zum Positiven. Wenngleich das Ende kein glattes „happy“ ist.

Raus aus den Rollen, rein ins Tanzen und Singen

Immer wieder treten die Protagonist:innen kurzfristig aus ihren Rollen heraus um mitreißend in gemeinsamen Choreografien auf den mehreren Ebenen der Bühne (Ausstattung: Daria Kornysheva) die mehr als ein Dutzend Songs (Musik: Wolfgang Böhmer, Leitung Orchesteraufnahme: Gerald Schuller, musikalische Einstudierung: Ursula Wögerer, Choreo: Nina Tatzber) zu singen und tanzen. Wofür es praktisch nach jeder Nummer Szenen-Applaus gibt – (...) selbst beim inbrünstigen Kinderhasser-Song.

Gedankenblitz

Peter Lund, der sich die Geschichte ausgedacht hat und sie in Berlin an der Uni der Künste, wo er lehrt, mit Absolvent:innen gemeinsam entwickelte, hat auch in Wien Regie geführt. Ausgangspunkt für seine Geschichte sei wie er rund um die Premiere Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erzählt „tatsächlich dieser Gedankenblitz gewesen: Kinder haben so viel Energie und die Welt hat ein Problem mit Energie. Da waren wir damals schon sehr prophetisch.“ Im Stück lässt er Meg sagen: „In jedem Kind steckt so viel Energie wie in 400 Millionen Tonnen Roh-Öl.“

(...)

Follow@kiJuKUheinz
kijuku.at/buehne/wenn-niemand-dem-wachen-energiegeladenen-maedchen-glaubt/

Heinz Wagner


Materialien

Unsere theaterpädagogischen Materialien zu »Frau Zucker will die Weltherrschaft« bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf fantasievolle Weise vor- und nachbereiten.

Klicken Sie hier://www.tdj.at/fileadmin/tdj/Theaterpaedagogik_Input/Input_TdJ_Frau_Zucker.pdf um die Materialien herunterzuladen.

Bei eventuellen Fragen und für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an [YjY0dGFnOmthdGphLnNlZ2VsYmFjaGVyQHRkai5hdA==]