Sprungnavigation:
  • The Miracle Worker The Miracle Worker
 

2016/2017

The Miracle Worker 11 +

von William Gibson
Deutsch von Andreas Pegler

Stückinfo

Ort: Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3
Zeitraum: 13. Oktober 2016 - 17. Dezember 2016
Premiere: 18. Oktober 2016
Dauer: 01:45
Regie: Sandra Cervik

»Die besten und schönsten Dinge auf dieser Welt kann man weder sehen noch berühren. Man muss sie mit dem Herzen fühlen.«

»Wir könnten nie lernen, mutig und geduldig zu sein, wenn es nur Freude in der Welt gäbe.«

Helen Keller

Wie es wohl sein mag, wenn man plötzlich nichts mehr hören kann - und auch nichts mehr sieht? Träumt man dann noch? Und wenn ja, wovon? Wie ist es, die vertraute Stimme der Eltern nicht mehr zu erkennen und ihr Gesicht nicht zu finden?
Helen Keller, geboren 1880, erlitt dieses Schicksal im Alter von 19 Monaten. Weil sie sich nicht mehr verständlich machen konnte, reagierte das intelligente Kind immer mehr mit verzweifelten und unberechenbaren Wutausbrüchen. Die geliebte Tochter wurde zu einer schweren Belastung für die gesamte Familie, so dass sie schließlich sogar überlegte, das Kind in ein Heim zu stecken.
Nur Helens Mutter wehrte sich dagegen…
Die junge Lehrerin Annie Sullivan, selbst sehbehindert, wurde engagiert. Mit unbedingtem Willen setzte sie es sich zur Aufgabe, diesem in seiner eigenen Welt gefangenen, wütenden und an den Nerven zerrenden Geschöpf ein neues Leben zu verleihen. Mit Engelsgeduld und störrischer Unnachgiebigkeit bringt sie Helen das Fingeralphabet bei, damit diese mit der Außenwelt kommunizieren lernt.
Und dann geschieht plötzlich das Wunder - nach langer, scheinbar ergebnisloser Arbeit beginnt Helen zu verstehen.
„Wasser“ war das erste Wort, das Helen mit sieben Jahren tatsächlich „sprechen“ konnte. Wenige Buchstaben nur. Mit 20 beherrschte sie mehrere Fremdsprachen und schloss ihr Studium mit „summa cum laude“ ab. Harvard verlieh ihr die Ehrendoktorwürde. Später setzte sie sich für die Rechte der Afroamerikaner ein, wogegen ihre eigene Familie heftigst opponierte. Helen Keller meinte dazu lapidar: „Blinde kennen keine Hautfarben. Punkt.“
Die Biographie einer der Ikonen der US-amerikanischen Geschichte wurde über 700 Mal am Broadway aufgeführt und in der nachfolgenden Hollywood-Verfilmung mit Patty Duke und Anne Bancroft oscarprämiert.


Aufführungsrechte: Theater-Verlag Desch GmbH, Berlin

Vorstellungen mit Audiodeskription und Untertitelung am 24., 25. und 28. November 2016 um jeweils 16 Uhr. Nähere Information und Reservierungen unter [YjY0dGFnOmFib0B0ZGouYXQ=] bzw. 01/521 10

Besetzung

Helen Keller Maresi Riegner
Annie Sullivan, ihre Lehrerin Felicitas Franz
Kate Keller Stephanie K. Schreiter
Captain Arthur Keller Uwe Achilles
Viney Lynne Williams
Regie Sandra Cervik
Bühne und Licht Nathalie Lutz
Kostüme Susanne Özpinar
Musik Matthias Jakisic
Gebärdencoach Liselotte Palecek
Dramaturgie Yvonne Zahn
Assistenz, Inspizienz Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz Florina Petkova

Kritiken

Kurier – 20.10.2016

Die besten und tragischten Geschichten schreibt eben immer noch das Leben

In den Vereinigten Staaten ist ihre Geschichte Teil der Allgemeinbildung. In unseren Breiten hingegen ist das Schicksal von Helen Keller nicht so bekannt. Und das, obwohl es bereits drei teils preisgekrönte Verfilmungen gibt, die allesamt auf dem Theaterstück "The Miracle Worker" von William Gibson basieren. Ein erfolgreiches Drama, das nun das Theater der Jugend (Spielort: Im Zentrum) zur Diskussion stellt und damit einen Coup landet.

Worum geht es? Um das wahre Leiden der 1880 geborenen Helen Keller, die im Alter von 19 Monaten plötzlich ertaubt und erblindet und sich gegenüber ihrer Umwelt nicht mehr verständlich machen kann. Immer rasantere und größere Wutausbrüche des von ihren vermögenden Eltern wohlbehüteten Kindes sind die Folge. Die kleine Tyrannin scheint unerziehbar. Ein verlorerener Fall. Bis eines Tages die als Kind ebenfalls blind gewesene Annie Sullivan als Lehrerin ins Haus kommt und mit unkonventionellen Methoden alles daran setzt, Helen wieder ins Leben zurückzuholen...

Ein harter Stoff über ein ernstes Thema, der auf der Bühne sehr leicht zu einer moralinsauren, pädagogisch zu wertvollen Abhandlung verkommen könnte. Nichts davon ist aber in Sandra Cerviks Inszenierung zu bemerken. Cervik inszeniert diese Tragödie sehr präzise, ernsthaft, dabei federleicht und mit einer gehörigen Prise Humor. Nathalie Lutz hat dafür ein auch mit Projektionen arbeitendes, auf wenige Requisiten reduziertes Ambiente geschaffen, das den Darstellern viel Raum gibt.

Und die sind brillant. An der Spitze die umfassbar intensive, überragende Maresi Riegner als famose Helen. Felicitas Franz ist eine großartige, an Mary Poppins gemahnende Annie; Stephanie K. Schreiter, Uwe Achilles und Lynne Williams agieren stark. Empfehlung!

Peter Jarolin


European Cultural News (online) – 19.10.2016

Wawa - dieses Wort verändert ein ganzes Leben

Der Regisseurin Sandra Cervik und einem herausragenden Ensemble gelingt mit „The Miracle Worker“ eine dramatische Meisterleistung.
Wawa, wawa – das war das einzige Wort, das Hellen Keller 1887 sprechen konnte. Es war auch das einzige Wort, das sie schon als Baby sprach – bis sie nach einer Erkrankung im Säuglingsalter taubblind wurde.

Die 1880 geborene Helen Keller ist in Amerika eine Ikone. Sie gilt als Paradebeispiel, wie es trotz eines körperlichen Handicaps gelingen kann, sein Leben zu meistern und sogar großartige Leistungen zu vollbringen.

Ein Bühnenbild ohne Farbe und herrliche Kostüme wie anno dazumal

Das Theater der Jugend im Zentrum hat sich dieses Stoffes in umwerfender Art und Weise angenommen und bietet unter dem Titel „The Miracle Worker“ von William Gibson einen Einblick in die prägendste Lebensphase von Helen Keller. Sandra Cervik inszenierte psychologisch extrem feinfühlig den packenden Stoff, in dem die Begegnung der siebenjährigen Helen mit ihrer Lehrerin geschildert wird. Nathalie Lutz und Susanne Özpinar schufen sowohl ein abwechslungsreiches Bühnenbild als auch Kostüme, die sich an die Fotos, die es von Hellen Keller aus dem 19. Jahrhundert gibt, anlehnen. Mit der Entscheidung, die Bühne in Schwarzweiß zu halten und auch die Videoeinspielungen so zu gestalten, wird dem Publikum zumindest eine Dimension versucht zu vermitteln, die Helen Keller zeitlebens fehlte: Farben.

Das störrische, rebellierende Kind, das für seine Umgebung beinahe unerträglich wird, da es unfähig ist, sich adäquat auszudrücken, wandelt sich unter dem Einfluss der jungen Lehrerin Annie Sullivan in einen Menschen, für den die Erkenntnis der Sprache zum alles bestimmenden Lebenskriterium wird. „Wie erzähle ich, was ich war? Abgeschnitten von allen. Wie ein Schiff im Nebel. Ein Phantom in einer Nicht-Welt“, hört man zu Beginn eine weibliche Stimme vom Band und weiß, dass es Helen Keller selbst ist, die hier ihre Geschichte erzählen wird.

Maresi Riegner hat ein unglaubliches Schauspieltalent

Wunderbare schauspielerische Leistungen, herausragend dabei Maresi Riegner in der Rolle von Helen, machen die Vorführung zu etwas ganz Besonderem. Die 25-Jährige, die gerade in der Rolle der Gerti Schiele im Kinofilm „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ zu sehen ist, studiert im letzten Jahrgang an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Bereits seit 2012 steht sie vor der Kamera, im Theater der Jugend mit dieser Rolle aber das erste Mal in einer Hauptrolle auf der Bühne. Nicht nur, dass man ihr in ihrer Rolleninterpretation das 7-jährige Mädchen abnimmt, sie erweckt auch den Anschein, derart in den Zustand der Taubblindheit eingetaucht zu sein, dass es keinen einzigen Augenblick gibt, in dem sie das Gefühl vermittelt, hier als Schauspielerin zu agieren.
Wer ein herausragendes, junges schauspielerisches Talent am Beginn seiner Theaterkarriere sehen möchte, soll sich diese Inszenierung ansehen.

Felicitas Franz hat das Publikum auf ihrer Seite

Großartig an ihrer Seite auch Felicitas Franz als Annie Sullivan. Sie hat die meiste Zeit über mit den Wutausbrüchen von Helen zu kämpfen, was körperlich sichtlich anstrengend ist. Wer schon einmal ein tobendes Kind bändigen wollte, kann das nachvollziehen. Sullivan kämpft in der Inszenierung nicht nur mit den Herausforderungen, die ihr ihre Schülerin stellt, sondern auch gegen die Eltern. Diese (Stephanie K. Schreiter und Uwe Achilles) überbehüten ihr Kind und können nicht verstehen, dass Erziehung, selbst von behinderten Kindern, auch etwas mit Konsequenz zu tun hat. Ansteckend sind Annies Lachanfälle über ihre eigenen, trockenen Aussagen. Das Publikum darf mit Felicitas Franz eine kumpelhafte, junge Frau erleben, der es trotz ihrer schweren Jugend nicht an Humor, Geradlinigkeit und starkem Willen zum Erfolg fehlt. Dass korrekte Rechtschreibung nicht gerade ihr Ding ist, vermittelt sie mit der höchst witzigen Metapher: „Rechtschreibung ist wie eine Überraschungsparty. Da tauchen Typen auf, mit denen niemand gerechnet hat.“
Lynne Williams spielt Viney, das Dienstmädchen der Familie, das mit Witz den oft absurden Anweisungen von Captain Arthur Keller, ihrem Dienstherren, Paroli bietet.


Der Widerspänstigen Zähmung
Die anfängliche voyeuristische Haltung des Publikums wandelt sich mit Voranschreiten des Geschehens in eine empathische und man wünscht sich nichts mehr, als das Annie Sullivan endlich mit ihrer Fingeralphabetmethode bei ihrem Schützling Erfolg hat. Bis es soweit ist, durchlebt Helen aber ungezählte Wutausbrüche, räumt den Esstisch mehrfach ab, schmeißt mit Dingen um sich und verweigert den Löffel als Esswerkzeug. Nur die Puppe, die ihr Annie als Antrittsgeschenk mitbrachte, ist ihr wertvoll. Der Baum vor dem Haus ist ihr einziger Zufluchtsort, an dem sie sich beschützt fühlt.
Das Hin und Her zwischen der Liebe der Eltern und der Strenge der Lehrerin kann für die Erwachsenen im Publikum auch als Projektionsfläche für ihre eigenen Erziehungsmethoden herhalten. Heute haben sich die Methoden, taubblinde Kinder zu erziehen, Gott sei Dank radikal geändert. Die Frage zwischen Strenge und bedingungsloser Liebe, die Kindern alle Freiheiten lässt, stellt sich aber bei jeder Erziehungsaufgabe immer wieder von Neuem.
Pure Emotionen in Moment der Erkenntnis
Helen hat die Schwierigkeit, nicht zu wissen, dass es so etwas wie Sprache gibt. Sie weiß nicht, dass jedes Ding einen Namen hat. Ihr das beizubringen, gleicht der Widerspenstigen Zähmung. Unglaublich berührend ist die Schlüsselszene gestaltet, in welcher das taubblinde Mädchen diesen Zusammenhang begreift. Wawa – das Wasser wird zu jenem Triggerwort, bei dem Helen den Zusammenhang zwischen den Fingerzeichen und der Sprache versteht. Wie es auch in der Biographie von Helen Keller nachzulesen ist, wird diese Erkenntnis zur absoluten Zäsur in ihrem Leben. Aus dem bockenden, störrischen Kind wird in einem einzigen Moment ein Mensch, der beginnt, das Leben und seine Umwelt zu verstehen. Der fähig wird, sich auszudrücken und mit seiner Familie und seinen Mitmenschen zu kommunizieren.
„Wawa – mit diesem kleinen Wort begann mein Leben. Das Geheimnis der Sprache lag nun vor mir. Von nun an hielt ich die Welt in meinen Händen. Meine Hände standen nie mehr still.“ Am Schluss ist es wieder die Stimme von Band, die Helen Keller erklären lässt, wie ihr besonderer Spracherwerb ihr Leben veränderte.
Sandra Cervik ist es zu verdanken, dass in ihrer Regie die Emotionen der Beteiligten so glaubhaft über die Bühne kommen, dass so manche Augen im Publikum feucht werden. Es ist kein nach Effekt heischendes Tränendrüsendrücken, das hier provoziert wird. Es ist echte Anteilnahme, die sich am Glück der Hauptfigur auf der Bühne und ihrer Familie erfreuen kann. Das muss Cervik erst einmal jemand nachmachen.
Ein wunderbares Stück, das nicht nur Kindern ab 11 zu empfehlen ist, sondern auch Erwachsenen. Selbst wenn sie sich alleine oder in Begleitung von Freunden die Vorstellung ansehen. Prädikat: SEHR SEHENSWERT.

Aurelia Gruber


Falter – 20.10.2016

Packender Kampf um das erste Wort

Zu Beginn lässt Regisseurin Sandra Cervik Lärm und Licht auf das Publikum (ab 11) niedergehen. Beides erlebte Helen Keller (1880-1968) nie mehr, seit sie mit 19 Monaten Augenlicht und Gehör verlor. Wutausbrüche und der Eindruck geistiger Behinderung waren die Folge. Kellers unglaubliche, aber wahre Geschichte ist in den USA Kult: Die junge Lehrerin Annie Sullivan (Felicitas Franz) brachte ihr mit unkonventionellen Methoden Gebärdensprache bei, sie wurde Akademikerin und Autorin. William Gibsons "The Miracle Worker" zeigt den schmerzhafen Weg zum ersten kleinen Erfolg. Wie die beiden Hauptdarstellerinnen einander vor allem physisch nix schenken, ist echt und streckenweise kaum zu ertragen. Maresi Riegner als Helen hat für ihren unermüdlichen Einsatz den Nachwuchsnestroy '17 quasi in der Tasche.

Martin Pesl


Online Merker – 24.10.2016

WIEN / Theater im Zentrum: THE MIRACLE WORKER

Es gibt Dinge, die unvorstellbar sind. Kann man sich schon kaum ausdenken, wie es ist, blind zu sein; wie es ist, taub zu sein. Aber blind und taub, gänzlich abgeschlossen von der Welt, ausgeschlossen von allem Leben, nur mit den Händen in Kontakt mit den paar Menschen, die sich mit einem abgeben… das war das Schicksal von Helen Keller (1880-1968), die, als normales Kind geboren, im Alter von 19 Monaten nach einer Gehirnhautentzündung Augenlicht und Gehör verloren hatte. Ihre Geschichte ist weltberühmt geworden, denn es gibt wenige Beispiele für eine ähnliche Bewältigung eines Schicksals, das jedermann als aussichtslos betrachten musste.

Helen Keller, die blind und taub blieb, aber sprechen lernte, ist die Heldin eines oft und gern gespielten (auch verfilmten) Bühnenstücks von William Gibson. Dabei ist „The Miracle Worker“ auch die Geschichte jener Lehrerin Annie Sullivan, die ihr den Weg ins Leben und ins Bewusstsein wies. Sie hat das Wunder vollbracht, und das kleine Wunder des Stücks besteht darin, dass dieser vermutlich hochkomplizierte Prozeß perfekt in ein glaubwürdiges Theaterstück „gegossen“ werden konnte.

Sandra Cervik beweist im Theater der Jugend – nach „Freak“, 2015 – zum zweiten Mal ihr Talent, die Geschichte von Jugendlichen mit fester und geschickter Hand auf die Bühne zu bringen, wobei sie das Thema keinesfalls weichspült. Denn Helen, die Tochter reicher, liebender, vor Mitleid überfließender Eltern, war eine Jugendliche, der man nie Grenzen gesetzt hatte, die völlig disziplinlos durchs Leben tobte, in dem sie sich nicht zurechtfand. Die Bändigungsversuche von Annie Sullivan gehen in Cerviks Inszenierung dermaßen unter die Haut, weil sie manchmal geradezu einem Exorzismus gleichen.

Das muss man spielen können, da liegt die Latte der Ansprüche weit höher als üblicherweise. Und die Darsteller erweisen sich als perfekt. Maresi Riegner, die man aus dem Kino kennt, wo sie Egon Schieles Schwester hervorragend verkörpert hat, ist die (keinesfalls als Sympathieträgerin gezeichnete) verlorene kleine Tobsüchtige, bei deren „Menschwerdung“ am Ende man die Tränen kaum zurückhalten kann. Felicitas Franz als Annie Sullivan bringt mit trockenem Humor das ganze Persönlichkeitsgewicht einer jungen Frau mit, die entschlossen ist, dieses Geschöpf Helen dem Leben wiederzugeben.

Sehr stark auch die Eltern, Stephanie K. Schreiter und Uwe Achilles sowie die treue Dienerin mit trockenem Humor: Lynne Williams.

Cervik hat das alles in dem überaus praktikablen, dabei stimmungsvollen Bühnenbild von Nathalie Lutz perfekt im Griff, und das jugendliche Publikum (der Abend ist ab 11 Jahren vorgesehen) klatschte hingerissen.

Renate Wagner


Kinder Kurier – 18.10.2016

Mit-/hinreißend berührend

Das Theater der Jugend bringt die Geschichte der Helen Keller - blinde und gehörlose US-Schriftstellerin - in einer mehr als packenden Inszenierung auf die Bühne.

Wer auch immer vor Beginn des Stückes nicht ins Smartphone starrt, sondern einen Blick auf die Bühne riskiert, beginnt schon Bewunderung für die Hauptdarstellerin von „The Miracle Worker“ zu verspüren. Sie hängt mehr oder minder – auf einem Brett sitzend – im Baum. Eeeeewig lange.

So richtig mit- und hinreißend urarg berührend führt Maresi Riegner sie in der Folge eineinhalb Stunden lang das Publikum in die Kindheit der Helen Keller. Die 1880 geborene US-Amerikanerin wurde mit eineinhalb Jahren blind und gehörlos. Ihre Eltern begegneten ihr mit viel Mitleid, konnten aber keinen wirklichen Zugang zu ihr finden. Die junge Helen konnte sich nicht verständlich machen, weshalb sie immer wieder Tobsuchtsanfälle bekam.

Erst Annie Sullivan, eine junge Lehrerin, fand – nach vielen auch sehr heftigen Kämpfen mit Helen und gegen deren Eltern – Zugang. Nach Langem begriff Helen den Zusammenhang zwischen dem kühlen Nass aus dem Brunnen und dem ihr von Sullivan in die Hand buchstabierten Wort Wasser. Dabei bediente sich die Lehrerin nicht der heute für „Taubblinde“ gebräuchlichen Sprache des Lormens, sondern dem Gebärden-Alphabet, das sie in Hand ihrer Schülerin drückte.

Von da an war sie mit dem „Virus“ der Wissbegierde und Lernfreude infiziert, lernte sogar Fremdsprachen und wurde Schriftstellerin. Die 1968 verstorbene Autorin sprach sich auch gegen die Rassendiskriminierung in den USA aus, weshalb sie mit ihrer Familie übers Kreuz kam. Ihr unschlagbares Argument: Für Blinde gebe es keine Farben!

Wie bereitet man sich auf diese sehr anstrengende Rolle vor?

Maresi Riegner (Helen): „Ich habe einmal bei einem Film von Barbara Albert das Stubenmädchen einer blinden Pianistin gespielt, die hab ich sehr genau beobachtet. Auf der Bühne verdrehe ich meistens die Augen und da sieht man dann echt wenig. Das führt auch zu einer anderen Körperspannung.“
Und die immer wieder kehrenden, sehr echt wirkenden Tobsuchtsanfälle?
„Da hab ich mich an Zornanfälle in meiner Kindheit erinnert."
Das ist doch eine sehr anstrengende Rolle, allein schon das lange am Baum sitzen vor Beginn der Vorstellung.
„Ja, da muss ich echt drauf aufpassen, dass mir nicht Hände und Füße einschlafen. Aber insgesamt macht es mir sehr viel Spaß, diese Helen zu spielen, da man sich da richtig austoben kann."

Heinz Wagner


Wiener Zeitung – 20.10.2016

Absturzgefährdet

Sandra Cervik inszeniert Helen Kellers Lebensgeschichte im Theater im Zentrum.

Wie mag es sich anfühlen, weder zu sehen noch zu hören? Im Theater im Zentrum kann man nun die junge Schauspielerin Maresi Riegner dabei beobachten, wie sie sich auf der Bühne dieser schrecklichen Frage stellt. Es ist, als würde sie ins Nichts versinken. Mit leerem Blick und aufgerissenem Mund tobt sie wie ein waidwundes Tier. Ihr bei diesen Anfällen zuzusehen ist unbequem, lässt einen aber nicht los, sie zieht einen mit ihrer Darstellung des taubblinden Kindes Helen Keller nachgerade in den Bann. Mitunter wirkt sie, als wäre sie nicht von dieser Welt.

In der Innenstadt-Dependance des Theaters der Jugend steht mit "The Miracle Worker" die berühmte Lebensgeschichte der US-Autorin Helen Keller (1880 - 1968) auf dem Spielplan. Die überaus gelungene Aufführung für Jugendliche ab elf Jahren wurde von Josefstadt-Aktrice Sandra Cervik inszeniert, die hier vor allem präzise Schauspielerführung beweist.


Das mehrfach verfilmte Stück von William Gibson erzählt von der entscheidenden Begegnung zwischen dem wilden Kind und der Lehrerin Annie Sulllivan (Felicitas Franz), die ihr mit den Fingern das Gehörlosenalphabet beibringt. Aus dem taubblinden Mädchen wurde eine Musterschülerin und berühmte Autorin, die sich zeitlebens gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr setzte.

In der eleganten Ausstattung von Nathalie Lutz und den pastellfarbenen Fin-de-Siècle-Kostümen von Susanne Özpinar wirkt das zügellose Kind zunächst wie ein Fremdkörper. Im Lauf der 90-minütigen Aufführung kommt sie in dieser Welt an. Ein Erlebnis.

Petra Paterno


Materialien

Unsere theaterpädagogischen Materialien zu "The Miracle Worker" bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf phantasievolle Weise vor- und nachbereiten.
Klicken Sie hier://www.tdj.at/uploads/tx_tdj/Input_TdJ_Miracle_Worker.pdf um die Materialien herunterzuladen. Bei eventuellen Fragen und für weitere Informationen, wenden Sie sich bitte an [YjY0dGFnOmZyZWRlcmlrZS5zdG9semVuYnVyZ0B0ZGouYXQ=]