Sprungnavigation:
  • Ritchy 3 Ritchy 3
 

2002/2003

Ritchy 3 6 +

von Volker Schmidt


Uraufführung

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 13. Februar 2003 - 12. April 2003
Premiere: 15. Februar 2003
Regie: Tina Lanik

»Was die kleinen Kinder zum Lachen bringt, macht den großen Leuten Angst.«
(Alfred Jarry, Roi Ubu)

»Richard liebt Richard. Also ich bin ich.«
(William Shakespeare, Richard III.)

England in kriegerischer Zeit. Drei Söhne werden dem mächtigen Herzog von York geboren: Prinz Charming Edward, Ehrgeizling George - und Richard, das Sorgenkind. Mit Buckel und »Hinkefuß« wird Ritchy in die Welt geworfen - ein Vorbote düsterer Zukunft? In einer Gesellschaft, in der Kraft, Mut und Stärke zählen, hat es ein kränkelndes Kind besonders schwer...
Ritchy will »dazugehören«, er sucht Anschluss, will einfach nur so sein wie die anderen. Doch allein in seinem Bruder Edward findet er einen Freund, der ihn akzeptiert. Da tritt die Elisabeth in sein Leben. Elisabeth - mit der er reden, träumen, lachen und seinen Buckel vergessen kann; Elisabeth ist nun in Ritchys Kopf, und Ritchy schmiedet Pläne für die Zukunft.
Doch da passiert die Katastrophe! Elisabeth verliebt sich - in Ritchys Lieblingsbruder Edward - und dieser in sie. Und Ritchy will nicht, dass Elisabeth ihm weggenommen wird. Soll er dem bösen Lauf der Dinge zusehen - oder sich selbst für das »Böse« entscheiden, um sie zurückzugewinnen?

Für jedes Kind gibt es ein erstes Mal, in dem es mit dem so genannten »Bösen« konfrontiert wird -- bei sich und bei den anderen. Und Ritchy 3 erzählt die Geschichte davon. Denn auch Shakespeares berühmtes Scheusal Richard III. hatte eine Kindheit. Das Theater der Jugend beschäftigt sich mit der Frage, warum ein Mensch etwas tut, was für die anderen »böse« ist.

Besetzung

Edward Volker Schmidt
George Christian Kainradl
Richard Simon Jaritz
York, Vater Uwe Achilles
Elisabeth Judith Richter
Drei Hexen Liese Lyon, Elisabeth Prohaska, Michaela Kaspar
Hastings / Mörder Klaus Rott
Salisbury / Mörder Peter Steiner
Regie Tina Lanik
Bühnenbild Magdalena Gut
Kostüme Su Sigmund
Chorarrangements Alexander Kukelka
Dramaturgie Gerald Maria Bauer
Assistenz und Inspizienz Ferdinand Klauser
Dramaturgieassistenz Gisa Fellerer

Kritiken

Kurier – 17.02.2003

Absage an das Böse

Er hat Brüder, Frauen und Kinder gemordet, brutale Kriege geführt und ein ganzes Land in Angst und Schrecken versetzt: Richard III. von England ist nicht nur bei Shakespeare der Inbegriff des Bösen.

Doch vielleicht war ja alles ganz anders? Denn in Volker Schmidts Stück »Ritchy 3« ist der spätere Tyrann noch ein junger Bursche, der trotz Buckel und Klumpfuß an das Gute im Menschen glaubt. Erst eine Reihe von Enttäuschungen verwandelt Ritchy in eine rohe Bestie, die sich mit Gewalt nimmt, was ihr das Leben versagt. Es sei denn, drei sehr heutige Hexen gehen eine Wette ein und verändern damit auch den Lauf der Historie.

Mit »Ritchy 3« hat Volker Schmidt eine sehr amüsante Komödie geschrieben, die sich munter aus dem Zitatenschatz der Literatur bedient und auch die Infantilität aktueller Kriegstreiber an den Pranger stellt. Tina Lanik hat für das Theater der Jugend mit leichter Hand Regie geführt und auf Magdalena Guts wandelbarer »Burgen«-Bühne für viele, klug gesetzte Pointen gesorgt. Simon Jaritz ist ein eindringlicher Ritchy, der in Christian Kainradl (sehr präsent als George), Volker Schmidt (ein charmanter Edward) und dem von Liese Lyon angeführtem Ensemble bestens gelaunte Mitspieler findet. Empfehlenswert.

Peter Jarolin


Wiener Zeitung – 17.02.2003

Der Mensch bestimmt selbst sein Schicksal

Das Theater der Jugend setzt seine heuer eingeschlagene Linie fort: Kinder und Jugendliche darauf hinzuweisen, dass der Mensch sein Tun weitgehend selbst bestimmen kann, dass Selbstwertgefühl, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung keine leeren Worte sind. Böses zu tun ist kein Schicksal, man muss sich nur gegen die Einflüsse von außen und innen zur Wehr setzen.

Im Renaissancetheater hatte jetzt »Ritchy 3«, ein Stück des jungen österreichischen Schauspielers und Dramatikers Volker Schmidt Premiere. Es erzählt die fantasievoll erfundene Geschichte der Jugend von Richard III., den durch die Zeiten reisende Hexen davor bewahren wollen, ein Ungeheuer zu werden. Sie prophezeien ihm, dass er böse werden wird, damit er die Kraft findet, sich gegen diese Weissagung zu wehren. Zwei der Hexen gehen eine Wette ein, und da Ritchy vieles erlebt, das ihn quält, meint man, jene Hexe, die nicht an das Gute glauben will, hätte gesiegt. Doch letztlich ist die Liebe stärker als der Hass.

Tina Lanik, Regisseurin am Bayrischen Staatsschauspiel München, inszenierte das gut gebaute Stück und sorgte für lustvolles Theater. Komödiantik wird hier groß geschrieben, es wimmelt nur so von glänzenden Einfällen und köstlichen Gags, doch kommen auch echte Gefühle beileibe nicht zu kurz.

Hervorragend ist Simon Jaritz als Richard, brillant sind die Hexen von Liese Lyon, Elisabeth Prohaska und Michaela Kaspar, reizend ist Judith Richter als Elisabeth. Autor Volker Schmidt verkörpert selbst sehr sympathisch und mit starker Persönlichkeit Edward, den ältesten Bruder, Christian Kainradl ist der schillernde George. Uwe Achilles, Klaus Rott, Peter Steiner profilieren weitere Rollen. Bühnenbild (Magdalena Gut) und Kostüme (Su Sigmund) tragen wesentlich zum Erfolg der Aufführung bei.

Lona Chernel


Kronen Zeitung – 17.02.2003

Böses liegt in der Bühnenluft

Die Jugendjahre eines Bösewichts: Zum amüsanten, gottlob unblutigen Ausflug ins späte Mittelalter, zu Richard III., lädt das Theater der Jugend mit Volker Schmidts »Ritchy 3«, den die zuletzt äußerst erfolgreiche Regisseuse Tina Lanik als perfektes Spiel inszenierte.

Begehren ist einer der Schlüssel zu allem Bösen: Und während Ritchys ältere Brüder Edward (Volker Schmidt) und Georg (Christian Kainradl) »Krieg, Ruhm und Liebe« an sich reißen, geht der freundliche Bucklige leer aus. Ein Grund, gemein zu werden? Noch nicht ganz, aber Schmidt lässt das kommende Böse, die Intrigen- und Mordleidenschaft des »großen« Richard III. erahnen. Denn man ist das, was man aus sich macht.

Nach dem Shopping im 21. Jahrhundert düsen drei Hexen (witzige »Girlies«: Liese Lyon, Elisabeth Prohaska, Michaela Kaspar) auf »tief gelegten Turborollern« einer Wette wegen an den Hof der Yorks: Sie suchen ein böses Wesen! Bevor sie aber zum Mörder Macbeth weiterflitzen, bringen sie Ritchy in Verwirrung der Gefühle. Und schütten halb London mit einer Portion Akustikmüll des 20. Jahrhunderts zu...

Lanik verknüpft gestern mit heute, sieht die Welt, wie sie ist, trotz Burgmauern (Bühne: Magdalena Gut) und glänzender Ritterrüstungen (Kostüme: Su Sigmund): Sie verpackt Wahrheiten in ein kindgerechtes Theater, das auch Erwachsenen gefällt. Alle schnuppern da mit Simon Jaritz als sensiblem Ritchy - echte Bühnenluft. Und der Zeigefinger bleibt unten!

Thomas Gabler


Die Presse – 21.02.2003

Mörder, die sich's überlegen

»Du elfengezeichnetes, verkümmertes, wühlendes Schwein«. Recht beliebt war er ja nicht, Richard III., wenn man sich so anhört, was Königin Margaret zu ihm einfällt. Bei Shakespeare, wohlgemerkt. Mit »Ritchy 3« von Volker Schmidt hat sich das Theater der Jugend etwas Großes vorgenommen: Shakespeares Scheusal für Kinder. Und es funktioniert.

Ein Eintrag auf der Website »https://www.bösewesen.com« ist einem sicher, wenn man Brüder und Neffen ruchlos ermordet. Kein Wunder, daß dann drei Hexen »jenseits der Zeiten« über einen stolpern und ein »Hexperiment« starten. So geschieht es Richard III. in dem Stück, das im Renaissancetheater uraufgeführt wurde. Die drei Hexen wollen ergründen, ob eine Prophezeiung, die sie Richard machen, ihn daran hindert, seine Verbrechen in der Zukunft zu begehen.

Die grundsätzliche Frage, ob der Mensch zum Bösen geboren ist, wird mit viel Humor und ohne Anstrengung gestellt. Vor allem im zweiten Akt lauert Shakespeare immer auf, wird sogar von einer Hexe instrumentalisiert, den reuigen Richard zum Bösen zu bekehren.

Reuig? Ja. Richard - weich und verschlagen zugleich interpretiert von Simon Jaritz - ist nach enttäuschter Liebe zu Elizabeth bereit, seine Brüder zu »opfern«, um König zu werden. Doch in dem Moment, da er die Krone aufsetzt, sieht er die Sinnlosigkeit der Tat ein. Wenn schließlich gekämpft wird, weil niemand mehr der König sein will, wird mit einer netten Geschichtsfälschung Shakespeare endgültig ad absurdum geführt.

Die Frage nach dem Bösen bleibt zwar unbeantwortet, aber wen kümmert's: Alles geht gut aus, die Hexen machen sich auf zu Macbeth und die Kinder werden sich später sowieso nur mehr an die überzeichnet komischen Mörder mit dem wienerischen Dialekt erinnern.

cb


Der Standard – 17.02.2003

Autor Volker Schmidt (er gewann kürzlich einen Autorenwettbewerb des Linzer Phoenix-Theaters) schrieb mit Ritchy 3 ein regelrechtes Vorzeigestück über die Entstehung des Bösen im Menschen: Richard, der bucklige und hinkende Sohn des Herzogs von York, steht nicht nur im Kampf um die Krone gegen die Lancasters im Schatten seiner beiden Brüder. Kriegslust übersetzt Schmidt dabei für Sechsjährige mit dem Vergnügen, einem bösen Drachen das Schwert in die Nase zu bohren.

Mit Zaubersprüchen wie »Ziegenschweiß, Eierspeis« wird dem Bösen dank der zeitreisenden Hexen der Garaus gemacht. Aber nur am Theater. Denn jedes Kind weiß, dass es keine Hexen gibt, aber böse Menschen leider doch. Sonst wäre vor der Theatertür nicht gegen den Krieg demonstriert worden.

Margarete Affenzeller