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2013/2014

Don Gil von den grünen Hosen 13 +

von Thomas Birkmeir
nach einer Komödie von Tirso de Molina

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 25. März 2014 - 28. April 2014
Premiere: 27. März 2014
Dauer: 02:15
Regie: Thomas Birkmeir

»Spekulieren ist wie Liebe:
Denn du setzest, was du nicht hast,
auf etwas, das nicht da ist –
aber wenn Fortuna will,
blüht aus nichts ein höchst realer
respektabler Wunderbaum…«

Tirso de Molina. Don Gil von den grünen Hosen

Von seiner großen Liebe »sitzen gelassen« zu werden, gehört wohl zu den schmerzvollsten und traumatischsten Erfahrungen im Leben. Wir reagieren mit Eifersucht, Hass und Rachegefühlen – selten freuen wir uns über die Freiheit, die wir dem ehemaligen Partner nun angedeihen lassen können…
Aber daraus eine Komödie schmieden? Dem Mönch Tirso de Molina ist dies im 17. Jahrhundert gelungen. Er bediente sich gleichsam der Zutaten des Liebesfrusts und -leids, um eine der erfolgreichsten Komödien der Weltliteratur zu kreieren.
Juana ist in Männerkleidung als »Don Gil« unterwegs, um inkognito das Treiben ihres Ex-Verlobten Ramón zu korrumpieren. Dieser will nämlich – des Geldes wegen – lieber die wohlhabende Inés heiraten. Flugs entscheidet sich Juana besagter Inés in Männerkleidung selbst den Hof zu machen. Der Coup gelingt! Inés verliebt sich unsterblich in Don Gil – und Ramón wird verschmäht. Der sinnt nun auf Rache gegenüber dem geheimnisvollen Nebenbuhler Don Gil, dem bald die Damenwelt Madrids zu Füßen liegt – und schon entspinnt sich eine Verwechslungskomödie vom Feinsten, in der die Grenzen der Identität verschwimmen. Tirso de Molina gehört neben Lope de Vega und Calderón de la Barca zu den größten Dramatikern Spaniens. Dass er sich als Ordensmann in seinen literarischen Werken weltlichen Themen widmete, wurde als »unstatthaft« empfunden, weswegen man ihm sogar mit der Exkommunikation drohte. De Molina ließ sich jedoch nicht von seiner Leidenschaft abhalten und verfasste in seiner Lebenszeit etwa 400 Stücke. Er selbst meinte, sein Amt als Beichtvater habe ihm »tiefe Einblicke in die menschliche Seele« gewährt.

Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien

Besetzung

Juana Iréna Flury
Camino Lukas Sartori
Osorio Markus Schöttl
Ramón Johannes Gaan
Inés Claudia Kottal
Don Pedro Horst Eder
Clara Felicitas Franz
Don Antonio Florian Stohr
Regie Thomas Birkmeir
Bühne Silke Pielsticker
Kostüme Jessica Karge
Licht Lukas Kaltenbäck
Dramaturgie Gerald M. Bauer
Assistenz und Inspizienz Nina Baak
Hospitanz Rostyslav Samonov

Kritiken

Die Presse – 29.03.2014

Don Gil von den grünen Hosen greift zur Pistole wie James Bond

Lustig, lärmend und flott inszeniert Direktor Thomas Birkmeir die 400 Jahre alte spanische Komödie von Tirso de Molina. Er überträgt den Text in eine künstlich jugendliche Sprache von heute.
Tirso de Molina (ca. 1579 bis 1648) zählt zu den großen Dramatikern der Barockzeit und zu den produktivsten. Den Stoff holte sich der Madrider Ordensmann oft als Beichtvater. 400 geistliche und weltliche Dramen hat er geschrieben, von denen 70 erhalten sind. Neben dem „Don Juan“ zählt „Don Gil von den grünen Hosen“ zu seinen bekanntesten Werken, ein irrwitziges Liebes- und Verkleidungsdrama. Ist es auch noch nach 400 Jahren attraktiv? Für ein junges Publikum?
Im Theater der Jugend hat sich Direktor Thomas Birkmeir an Übersetzung und Inszenierung gewagt – und gewonnen, wie die zweieinhalbstündige Aufführung am Donnerstag zeigte. Frei hat er die Komödie geschickt in zeitgenössische Sprache verpackt – in künstlichen Jugend-Slang, von acht Darstellern beherzt in Szene gesetzt. Da gibt es keine Altertümelei, sondern es geht um Liebe, Leidenschaft und Rache. Flott werden platte Geschlechterklischees überspielt, das Finale ist furios und voller Sprachspielerei.
Die Ausgangslage: Zwei Tramper mit Rucksäcken betreten erschöpft die Bühne, wo zwei ausrangierte Autositze zu einer Rast einladen. Juana (Iréna Flury) ist mit ihrem Begleiter Camino (Lukas Sartori) auf der Jagd nach ihrem Geliebten Ramón (Johannes Gaan), der ihr die Ehe versprochen, sie aber stattdessen geschwängert und sitzen gelassen hat. Ramón will die reiche Inés (Claudia Kottal) heiraten, wirbt jedoch unter dem falschen Namen Don Gil um sie.
Juana weiß von dem Plan und setzt gleich am Anfang zur Gegenintrige an: Sie nötigt Camino, sich als Nonne zu verkleiden, während sie selbst sich in den knabenhaften Don Gil von den grünen Hosen verwandelt, um ebenfalls das Herz des verzogenen It-Girls Inés zu erringen. Auf geht es, die beiden deuten ins Publikum: Dort unten liegt bereits Madrid. Sobald Camino die schwarz-weiße Nonnentracht übergeworfen hat, ist klar: Dieser Charakterdarsteller wird die meisten Lacher bekommen, diese Heldin in grünen Hosen, die größte Verwirrung stiftet, am meisten Sympathie. Flury und Sartori spielen von Anfang an mit gutem Timing, während die jungen Herren erst noch etwas mit den Versen zu kämpfen haben, dann aber immer besser in Fahrt kommen. Lustvoll und laut gibt Kottal die Temperamentvolle, Felicitas Franz als ihre arme Begleitung Clara hingegen eine Lachnummer, so wie der auch um Liebe bemühte Don Antonio (Florian Stohr). Alle aber haben ihre ganz spezifische Komik.

Frauen küssen Frauen, Männer Männer

Unausweichlich sind bei so viel Verkleidung homophile Anwandlungen. Frauen küssen Frauen, Männer küssen Männer, sie stürzen durch eine Achterbahn pubertärer Gefühle. Da sieht man zwar üppig Klischees, aber die sind in Humor eingebettet und in einen zügigen Handlungsablauf. Duelle mit Pistolen wie im Agentenfilm, ein Ständchen mit Klavier. Eine neureiche David-Statue und eine Nackte mit Kaktuskopf dienen als Dekoration, reihenweise gibt es Türen zum Verstecken, Flüchten und Überraschen (Bühne: Silke Pielsticker). Seltsame Details zieren diesen lärmenden, unbekümmerten Abend.

Norbert Mayer


Kurier – 29.03.2014

Der beste Typ ist die Nonne namens Shakira

Eine klassische Verwechslungskomödie hat Thomas Birkmeir mit Tirso de Molinas „Don Gil von den grünen Hosen“ in Szene gesetzt. In Anbetracht der Tatsache, dass de Molina Mönch war und zu Beginn des 17. Jahrhunderts schrieb, ein erstaunliches Stück. Die Frauen kommen besser weg als die Männer. Der einzig gute Typ ist just der, der sich als Frau verkleidet – als Nonne Shakira (Lukas Sartori). (De Molina wurde bald aus Madrid verbannt, wegen dieser und anderer profaner Komödien).
Auch in Birkmeirs Fassung haben die Frauen die Hosen an, in jeder Hinsicht. Die Männer sind allesamt erbärmlich: Lassen die schwangere Verlobte sitzen, betätigen sich als Heiratsschwindler oder sind per se jämmerliche Waschlappen. Das ist auch der Grund, warum sich die stolze Inés (toll: Claudia Kottal) gar nicht erst für sie interessiert. Erst das bartlose Bürschchen namens „Don Gil“ (Iréna Flury) weiß ihr Interesse zu wecken. Tatsächlich steckt in dessen grünen Hosen aber eine Frau, die einen verwegenen Racheplan durchziehen will. Man hofft, die beiden würden auch nach der Klärung dieses Missverständnisses zueinanderfinden. Doch dafür ist das hier zu konventionell. Schade, denn ansonsten ist diese fetzige Tür-auf-Tür-zu-Komödie sehr vergnüglich.
(4 von 5 Sternen)

Barbara Mader


Wiener Zeitung – 29.03.2014

Schnatterrasanz - "Don Gil von den grünen Hosen" im Theater der Jugend.

Theaterchef, Dichter, Regisseur: Thomas Birkmeir in einer Dreifachrolle im Theater der Jugend. Die 400 Jahre alte Verwechslungskomödie "Don Gil von den grünen Hosen" des spanischen Mönchs Tirso de Molina zeigt er ohne Tribut an den moralinsauren Kanon wechselseitiger Denunziationen sexistischer Vorurteile. Diese werden bedient - und ebenso komisch widerlegt. Weibliche List trotzt dem stolzesten Pistolero. Liebessuche auf beiden Seiten der Front im Geschlechterkampf.
Der Originaltitel täuscht, wenn darunter Birkmeir als Autor genannt ist. Er hat das Vielfach-Verstellungsspiel ins Heute transponiert. Zum Einstieg braust Italowesternsound auf. Slapstick, Showdance, Kampfsport sichern den Intrigen Tempo. Weibliche wie männliche Rede sind keck zugespitzt wie in TV-Blödelsitcoms. Die sitzen gelassene, nach Rache sinnende Juana ist auch Don Gil und Donna Bonanza. Ihr Diener Camino nennt sich in Nonnentracht zur Freude der zuhörenden Jugend Shakira - die, kicher-kicher, alle falsch anreden, einmal sogar als Sahara. Der zuletzt bekehrte Schäbian Ramón tritt als Don Gil auf, freilich ohne grünes Beinkleid.
Tirso de Molinas Verwechslungsmaschinerie würde nach ihrem Tuning auf heutige Schnatterrasanz explodieren - hätte sich Birkmeir nicht zur Drosselung die alten jambischen Versmuster verordnet. Wird simpel gereimt, heizt das die Komik an: "Nehmt es ihr nicht übel, sie ist nicht sehr sensibel." Die erlösende Enthüllung der Intrige steigert sich zur ironischen Kitschreimerei. Ein herrlicher Jokus. Auch Silke Pielstickers Bühne und Jessica Karges Kostüme geben dem Tohuwabohu Halt.

Laut gelacht

Iréna Flury strahlt im luftigen Sommerkleid heller als in der Hosenrolle. Claudia Kottal (die resche Powerfrau Inés) und Felicitas Franz (das Mauerblümchen Clara) trampeln im Joggingdress wie Rekruten in einer US-Kaserne. Doch auch sie entfalten sich in entzückender Weibchenhaftigkeit. Eine Glanznummer zieht Lukas Sartori mit feistem Lächeln unter der schwarzen Nonnenhaube ab. Markus Schöttl, schlank und rank, hat sich seinem compañero Ramón (Johannes Gaan) mehr, als noch sitthaft war, zuzuneigen. Als "torro persistente", als ewig lendenstarker Stier stellt sich der unverwüstliche Horst Eder als mitgiftstarker Tochtervater vor. Eine köstliche Karikatur patscherter Noblesse liefert Florian Stohr als verschmähter Brautwerber. Ab 13 Jahre ist die Jugend zugelassen. Die älteren Semester lachten bei der Premiere am lautesten.

Hans Haider


www.der-neue-merker.eu – 28.03.2014

Theater der Jugend: DON GIL VON DEN GRÜNEN HOSEN

Sieht man ins Publikum, so sitzen da nahezu ausschließlich Halbwüchsige, die mit ihren iPhones und iPads verwachsen scheinen. Wollte man ihnen eine spanische Komödie aus dem frühen 17. Jahrhundert vorsetzen, womöglich mit Fächern und Kastagnetten, was fingen sie damit an? Aber der ewige Kampf der Geschlechter, den begreifen sie (teils wohl schon aus eigener Erfahrung), und solcherart ist es legitim, dass Thomas Birkmeir das Stück für das von ihm geleitete Theater der Jugend bearbeitet und in die Gegenwart versetzt hat – so sehr, dass er für diesen „Don Gil von den grünen Hosen“ als Autor „nach Tirso de Molina“ gelten darf. (Dass er sich dafür ein Extra-Riesenhonorar bezahlt, ist angesichts der Budgetverhältnisse seiner Institution wohl nicht zu befürchten. Die Millionen rollen anderswo.)
Nun wird sich ein Mädchen heute wohl nicht als Mann verkleiden, um hinter dem untreuen Liebhaber herzuhetzen, und es wird auch keinen Diener haben, den sie (bei Birkmeir) gar in Nonnentracht steckt, um bei der Intrige mitzuspielen. Aber die Unwahrscheinlichkeiten machen dem Publikum nichts aus, denn sie erkennen die Figuren, die wie sie selbst sprechen und auch denken – die Zicke Inés etwa, die so schön und reich ist und die arme hässliche Clara quält. Oder die schon bei Tirso eher hilflos gezeichnete Männerwelt – ja, im gottesfürchtigen, patriarchalischen Spanien wurde eine Komödie über die Selbständigkeit und Entschlusskraft der Frauen geschrieben. Wenn da nicht ein Dichter die Nase vorn gehabt hat…
Wenn sich alle lächerlich machen und auch charakterlich ziemlich desavouieren, kann es bei Birkmeir logischerweise nicht zu den allgemeinen Happyends kommen, die man bei der Komödie sonst gewohnt ist, aber das macht nichts: Dem Spaß tut es keinen Abbruch. Das originale Stück kennt man nach dieser Aufführung zwar nur andeutungsweise – aber die grünen Hosen sind zumindest geblieben.
Als Regisseur fegt Thomas Birkmeir sein Ensemble mit einem Tempo über die Bühne, wie er es nur dank einer exzellenten Besetzung tun kann: Wieder einmal soll man sich von dem Begriff „Theater der Jugend“ nicht verwirren lassen, das hat „Erwachsenen“-Niveau (abgesehen davon, dass man der Jugend ja grundsätzlich nur das Beste bieten soll). Iréna Flury ist eine köstliche verletzte, wütende, entschlossen den Liebhaber jagende Juana, aber die anderen Damen – Claudia Kottal als Temperamentsbombe Inés, Felicitas Franz als hässliche Clara, fast ein Schicksal – stehen um nichts nach.
Und die Herren? Johannes Gaan ist der eitle Liebhaber Ramón, Markus Schöttl sein intriganter Gefährte Osorio, der am Ende schwule Gelüste gesteht, Florian Stohr als Don Antonio ein noch lächerlicherer Liebhaber und Horst Eder als Don Pedro ein Vater, dem man nachfühlt, dass er seine lästige Tochter nur loswerden will. Sobald Lukas Sartori als Diener Camino in die Nonnentracht schlüpfen darf, beherrscht er die Szene, sobald er auftritt.
Der zweieinhalbstündige Abend mag nur eine Schwäche haben – dass er in seinem halsbrecherischen Tempo, in seiner lautstarken Pointenjagd, in seiner sich überstürzenden absurden Komik am Ende zu einförmig wird. Man kommt bei solchem Dauerbeschuss gar nicht mehr zum Denken oder Durchatmen, so dass man innerlich nur immer wieder abschalten muss – zu intensiv! Aber für die heutige Jugend ist das wahrscheinlich das Pendant zum Action-Film im Kino. Es wurde jedenfalls viel gelacht und viel geklatscht.

Renate Wagner


Der Standard – 29.03.2014

Der Maserati und Inés sind verloren

(...) Es liegen vierhundert Jahre zwischen den Nöten der Doña Juana und heute. Das Stück erzählt von ihrer abenteuerlichen Mission durch Madrid, auf der sie sich - als Mann verkleidet - den treulosen Bräutigam heimholt. Eine Frauenfigur, die es gewiss in Erinnerung zu behalten lohnt. (...)

Margarete Affenzeller


Materialien

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