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2010/2011

Wir pfeifen auf den Gurkenkönig 6 +

von Christine Nöstlinger
Bühnenfassung von Susanne Lietzow

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 25. Mai 2011 - 30. Juni 2011
Premiere: 26. Juni 2011
Regie: Susanne Lietzow

»Wir heißt Königs Kumi-Ori das Zweit, aus das Geschlecht die Treppeliden.«

Christine Nöstlinger. Wir pfeifen auf den Gurkenkönig

Was geschieht, wenn plötzlich ein ungebetener Gast auf dem Küchentisch sitzt und um Asyl bittet? – Er bringt das Familienleben gehörig durcheinander. Braucht Platz, hat Wünsche, mischt sich ein.

Innerhalb der sehr wienerischen Familie Hogelmann gehen die Meinungen über den plötzlich aufgetauchten skurrilen Kerl stark auseinander. »Wir ist gewohnt, dass uns jedliches küssen die Hand!«, ist die Antwort, als der Opa ihm die Hand geben will. Der Vater zeigt Verständnis für diesen, sich von seinen Keller-Untertanen ungerecht behandelt wähnenden König »Kumi-Ori das Zweit«. Auch Nik, der jüngste der Familie, findet Gefallen an ihm: Klein, grün, gurkenförmig, hat er eine Krone am Kopf und rot lackierte Zehennägel! Wolfi, Martina, Mama und Opa dagegen können den rechthaberischen Gurkenkönig nicht leiden.

Aber der »Gurkinger« nistet sich in Vaters Zimmer ein; endlich ist da jemand, der – wie Papa selber – Wert auf Autorität legt! Immer mehr spaltet der Eindringling die Familie, das gegenseitige Misstrauen wächst. Schließlich kommen Wolfi und Martina den Machenschaften des »Gurkingers« auf die Schliche. Entschlossenes Handeln ist gefragt: Wolfi steigt in den tiefen feuchten Keller hinunter, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Dabei entdeckt er mehr, als ihm lieb ist und vieles, was weit über die Familie Hogelmann hinausreicht …

Christine Nöstlinger wirft in ihrem Kinderbuchklassiker einen kritischen Blick auf Familie und Gesellschaft. Der 1973 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Roman, der Herrschaftsverhältnisse im Kleinen wie im Großen hinterfragt, hat erneut Aktualität gewonnen. Susanne Lietzow wird diese humorvolle, phantastisch-realistische Geschichte in einer neuen Theaterfassung auf die Bühne des Renaissancetheaters bringen.


Aufführungsrechte: Julius Beltz GmbH & Co. KG, Weinheim

Besetzung

Gurkenkönig Kumi Ori Gerti Tröbinger (Puppenspiel)
Wolfgang Hogelmann Rafael Schuchter
Papa Hogelmann Reinhold G. Moritz
Mama Hogelmann, Revue-Girl Martina Spitzer
Opa Hogelmann Horst Eder
Niki Hogelmann Sebastian Mock
Martina Hogelmann, Revue-Girl Natalie Ananda Assmann
Mustafa Camil Morariu
Frau Brettschneider, Polizist, Fußballfan, Kellnerin Ilona Peter Steiner
Kumi Ori-Volk Gilbert Handler, Camil Morariu, Reinhold G. Moritz, Susanne Lietzow, Rafael Schuchter
Regie Susanne Lietzow
Ausstattung Marie Luise Lichtenthal
Musik Gilbert Handler
Puppenbau Gerti Tröbinger
Video Petra Zöpnek
Türkisch-Coach Fernap Tansiz
Dramaturgie Gerald M. Bauer, Markus Felkel
Assistenz und Inspizienz Clemens Pötsch
Hospitanz Nina Baak

Kritiken

Der Standard – 28.05.2011

Unterhaltsame Revolution in Mundls Souterrain

Oiso, wie sich das mit dem Gurkenkönig bei der Familie Hogelmanns so abgespielt tun hat, erzählt Sohnemann Wolfgang (Rafael Schuchter) im Wiener Renaissancetheater mit besonderem Augenmerk auf die korrekte Grammatik.

Dabei zeigt er sich in Susanne Lietzows gelungener Bearbeitung von Christine Nöstlingers »Wir pfeifen auf den Gurkenkönig« als Spross seiner Eltern, die den neuen Freund von Tochter Martina (Natalie Ananda Assmann) konsequent mit »Mustafer« ansprechen.

Es sind echte Wiener, bei denen sich der gurkenähnliche König Kumi Ori (gebaut und wunderbar belebt von Gerti Tröbinger) einnistet. Von seinem bisher unbemerkt im Keller der Hogelmanns lebenden Volk vertrieben, bittet er um Asyl, welches ihm der ebenfalls um seine Autorität bangende Papa (Reinhold G. Moritz) gerne gewährt. Als den übrigen Familienmitgliedern jedoch dräut, dass die Revolution im Souterrain nicht zu Unrecht erfolgte, hängt der Haussegen bald schief.

Lietzow treibt Nöstlingers volksnahe Sprache auf die Spitze, lässt es, wenn etwa Papa Hogelmann in Adilette und Feinripp mit dem Ausziehsofa kämpft, ordentlich sackbauern. Zugleich arbeitet sie die Parallelen zwischen Kellerrevolte, Familienkonflikt und Lokalpolitik deutlich heraus. So schleicht Opa Hogelmann (Horst Eder), der alte Genosse, nachts durch den Garten, um dem blauäugigen Politiker, der sich auf einem Plakat für »sauberes Blut« ausspricht, ein Hitlerbärtchen unter die Nase zu applizieren.

Diese Plakatwand, welche von Familie Hogelmann als alternative Einkunftsquelle auf dem Dach ihres sich je nach szenischen Erfordernissen drehenden Hauses (Ausstattung: Marie Luise Lichtenthal) angebracht wurde, dient auch als Filmleinwand. Darauf wird in einer Mischung aus Animation und Puppenspiel gezeigt, wie das Gurkenvolk seine Freiheit u.a. zum Bau von Schulen nutzt. Eine schöne Idee, die jedoch im zweiten Teil etwas zu viel Tempo aus dem an sich so komischen wie aktuellen Stück nimmt. Die Altersempfehlung (ab sechs) erscheint mutig niedrig, größere Kinder werden mindestens ebenso viel Spaß haben.

Dorian Wallner